Ein Hoch auf Hamsterkäufer und Kapitalismus

Einen meiner Kollegen hat es erwischt. Angst macht sich breit. Die Verzweiflung wird mit jedem Tag größer. Anfangs hatte er noch drei Rollen, dann waren es nur noch zwei.

Die Rede ist von Toilettenpapier.

Während man sich im Land über diejenigen aufregte, die Toilettenpapier kauften, sah ich zu, wie er langsam die Nerven verlor. Er war mehrere Tage hintereinander in verschiedenen Supermärkten. Nirgendwo bekam er Toilettenpapier.

Er regt sich lautstark über angebliche Hamsterkäufer auf und wie er reagieren würde, wenn er welche treffen würde. Gleichzeitig regt er sich über Geschäftemacher auf, die mit hohen Preisen von der aktuellen Situation profitieren möchten.

Ich habe ihm erklärt, dass dies ein Widerspruch ist und dass diese miesen Geschäftemacher sein Problem lösen würden, weil steigende Preise die Hamsterkäufer abschrecken würden, diejenigen, die wirklich Toilettenpapier benötigen, aber wenigstens welches bekommen würden.

Dann war ich einkaufen. Und siehe da, es gab Toilettenpapier. Bewacht von Security. Es gab maximal eine Packung pro Person. Ich überlegte nicht lange und packte eine Packung für den Kollegen ein. Der hat sich vielleicht gefreut.

Also nutzte ich die Gelegenheit, mit ihm darüber zu reden, wie Kapitalismus und Marktwirtschaft sein Problem gelöst hätten.

Das Problem ist, dass deren Mechanismen aus pseudomoralischen Gründen derart verpönt sind, dass sich niemand mehr traut sie anzuwenden.

Der Supermarkt, der heute die Preise auf rare Artikel erhöht, hat morgen einen moralinsauren Shitstorm am Hals.

Hier gibt beispielsweise 18 Rollen Toilettenpapier für rund zehn Euro. Und die Empörungswelle rollt.

Mein Supermarkt begrenzt hingegen die Menge, muss Security einsetzen und macht damit den Kauf von Toilettenpapier noch viel attraktiver.

Ein begrenztes Gut, die Sicherheitskräfte bewachen es – zum Schnäppchenpreis.

Da geht jeder vorbei und nimmt eine Packung mit, egal wieviel er davon schon zuhause hat. Allein das Gefühl, dass dieses Gut besonders knapp sein muss, weil man es ja bewacht, führt dazu, dass es häufiger mitgenommen wird.

Das ist das Modell Venezuela. Schon 2013 konnte man dort beobachten, wie festgesetzte Preise wirken.

Es gibt sehr gute Gründe für Preiserhöhungen von knappen Gütern. Einerseits führt ein höherer Preis zu einer größeren Verfügbarkeit, weil sich die Herstellung unter ineffizienteren Bedingungen lohnt (etwa wenn man auch in der Nacht produziert und dafür Nachtzuschläge zahlen muss).

Auf der Seite der Nachfrager führt eine Preiserhöhung andererseits dazu, dass man seltener auf Vorrat kauft, wenn man noch genügend hat.

Doch solche Argumente halfen nichts. Gegen die anti-marktwirtschaftliche Grundhaltung meines Kollegen konnten meine Argumente nichts bewirken.

Auch das Image der Hamsterkäufer konnte ich bei meinem Kollegen nicht aufpolieren. Diejenigen, die schon sehr früh, also ab Mitte Januar und verstärkt ab Februar bestimmte Produkte stärker nachfragten, sorgten dafür, dass sich die Lieferketten vorbereiten konnten.

Bis das Signal einer verstärkten Nachfrage über alle Zwischenlager bei der Produzenten ankommt, vergeht schließlich einige Zeit.

Als der große Ansturm begann, entlasteten die frühen Hamsterkäufer die Lieferketten, weil sie nicht auch noch vorsorglich einkaufen mussten. Das gilt für alle Produktgruppen.

Bei uns in der Gegend muss man jetzt vor manchen Supermärkten längere Zeit anstehen. Jeder, der früh eigenverantwortlich handelte und vorsorgte, entlastet jetzt die Supermärkte und verkürzt die Schlangen.

Der Markt ist nicht Ursache des Mangels, sondern der Mangel ist Folge der Aushebelung des Marktes.

Kapitalismus, Marktwirtschaft und Eigenverantwortung. Das sind die Zutaten für unseren historisch einmaligen Wohlstand.

Schade, dass das kaum noch jemand zu würdigen weiß.

3 Kommentare zu „Ein Hoch auf Hamsterkäufer und Kapitalismus“

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