Warum die Welthungerhilfe zynisch und grausam ist

Ich habe mit mir gehadert, ob ich diesen Artikel schreiben soll, weil ich annehme, dass meine Meinung als herzlos und grausam wahrgenommen wird.

Letztlich habe ich mich für diesen Artikel entschieden, weil ich meine Gedanken dazu in den etablierten Medien nirgendwo wiederfinde. Ich nehme in Kauf, dass insbesondere der Abschnitt „Fazit“ dieses Artikels von manchen als kalt und zynisch wahrgenommen wird.

Ich bin über einen Artikel bei zeit.de gestolpert. Berichtet wird über die Hungerkatastrophe in Afghanistan.

95% der Afghanen können sich bereits heute nicht ausreichend ernähren und die steigenden Lebensmittelpreise verschärfen das Problem zusätzlich.

Als Ursachen führt die Welthungerhilfe an:

  1. Wegen der internationalen Sanktionen „liegt die Wirtschaft am Boden und es kommt kein Geld ins Land“.
  2. Wegen der internationalen Sanktionen stehen eingefrorene Gelder der afghanischen Regierung nicht zur Verfügung um Hilfsgüter zu beschaffen.
  3. Die landwirtschaftliche Produktion wird weiter zurückgehen, weil die Bauern wegen der höheren Preise weniger Saatgut und Dünger kaufen können.

Die Welthungerhilfe fordert „finanzielle Unterstützung sowohl für humanitäre Überlebenshilfe als auch für langfristige Projekte“ und erwartet dafür internationale Hilfe und die Nutzung eines Teils der eingefrorenen Gelder der afghanischen Regierung.

Zeit.de gibt ausschließlich die Sicht der Welthungerhilfe wieder, der gesamte Artikel besteht ausschließlich aus Äußerungen dieser Organisation.

Trotz ihres wohlklingenden und selbstlosen Namens haben der Verein und seine fast 500 Mitarbeiter aber natürlich auch ganz profane Interessen – wie beispielsweise einen sicheren Arbeitsplatz oder schlicht das Ansehen in ihrem Umfeld, das mit dieser Arbeit verbunden ist.

Die einseitige Wiedergabe der Darstellung des Vereins ist also keineswegs für ein journalistisches Produkt geeignet. Aber wer erwartet bei der Zeit schon Journalismus?

Lügen und Auslassungen

Die von der Welthungerhilfe angegebenen Gründe klingen zunächst schlüssig. Aber schon eine kurze Recherche zeigt Widersprüche. Ein Blick auf die Entwicklung der Wirtschaftsleitung pro Kopf zeigt, dass die afghanische Wirtschaft nicht (nur) wegen der Sanktionen am Boden liegt.

Der zeitliche Verlauf der Wirtschaftsleistung legt vielmehr nahe, dass Afghanistan außer dem internationalen Militäreinsatz im Land schlicht keinen anderen relevanten Wirtschaftsfaktor besaß und besitzt. Dabei schließt diese Statistik die Zeit nach dem vollständigen Abzug nach 2021 noch nicht einmal mit ein.

Auch die absoluten Zahlen – das pro Kopf BIP erreichte 2012 keine 800 Dollar und ist bis 2020 auf knapp über 600 Dollar gesunken – legen nahe, dass es praktisch keine „afghanische Wirtschaft“ gibt. Dass sie (nur) wegen der Sanktionen „am Boden liegt“ ist schlicht gelogen, die Wirtschaftsleistung sinkt bereits seit Jahren ab – vor den Sanktionen.

Es ist deshalb auch sehr fraglich, ob die afghanische Wirtschaft ohne Sanktionen etwas zu bieten hätte, das andere Länder wollen. Etwas das man gegen Nahrungsmittel eintauschen könnte.

Fraglich ist auch, ob die realen Handelspartner Afghanistans (im Wesentlichen sicher die Nachbarländer) die internationalen Sanktionen überhaupt durchsetzen.

Würdige ich die mir vorliegenden Informationen, halte ich den ersten von der Welthungerhilfe (und von zeit.de ungeprüft übernommenen) vorgebrachten Punkt – die Wirtschaft liegt nur wegen der Sanktionen am Boden – für vorgeschoben, ja glatt gelogen.

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