Die Politik reagiert nicht auf die veränderte Realität

Das Auswärtige Amt teilt mit:

Gestern hat sich der Bundestag für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen von Nordmazedonien und Albanien in die EU ausgesprochen. Das ist ein wichtiges Signal, Westbalkan ist eine Schlüsselregion für Europa.

Dieser Tweet ließ mich fassungslos zurück. Ich erläutere an einem konkreten Beispiel, was ich meine.

Es ist die Ignoranz der auftretenden Probleme mit der Zuwanderung aus Südosteuropa, die mich stört. Diese Probleme sind nicht ansatzweise gelöst, beispielsweise ist die EU-Mitgliedschaft bereits jetzt bei der Rückführung ein großes Hindernis, vergleichbar mit dem Asylantrag bei Menschen aus Nicht-EU-Staaten:

Nach EU-Recht sei eine Rückführung aus Deutschland im Grundsatz möglich, wenn „jemand keine Arbeit hat, keine Arbeit sucht und auch nicht nachweisen kann, dass er eine sucht“, erläuterte der Sprecher. Bulgarien gehört zur Europäischen Union.

Das ist nur ein Beispiel. Eine bulgarische Familie lebt von Hartz IV, ein 14-Jähriger Sohn ist Hauptverdächtiger einer Gruppenvergewaltigung in Mühlheim, und die Behörden haben die Rückführungsmöglichkeiten der Familie nach Bulgarien geprüft. Denn eigentlich sollten Schutzmechanismen trotz geltender Freizügigkeit das Ausnutzen der deutschen Sozialsysteme verhindern.

Mit der Prüfung habe man ausloten wollen, ob die Freizügigkeit der Familien der fünf Verdächtigen eingeschränkt werden könne, hatte der Mülheimer Sprecher gesagt. Wie der WDR berichtet, reicht laut EU-Recht schon ein Mini-Job aus, um einer Ausweisung zu entgehen. Eine Abschiebung Schwerkrimineller sei zwar immer möglich, allerdings nicht, wenn diese minderjährig seien – wie im Fall der mutmaßlichen Mülheimer Vergewaltiger.

Hat die deutsche Politik seit dem Sommer (die Meldung ist 5 Monate alt) irgendetwas unternommen, um die Ausnutzung unseres Sozialsystems zu verhindern und die Rückführung nach Südosteuropa zu ermöglichen, wenn jemand nur nach Deutschland kommt um Sozialleistungen zu beziehen?

Am 23. September, wenige Tage vor dem Beschluss des Bundestages, auch mit anderen Balkanländern Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, berichtete das Westfalen-Blatt, eine Abschiebung sei doch möglich. Der Arbeitsvertrag, den der Vater vorgelegt hatte, war gefälscht.

Die Stadt hatte überprüft, ob die Familien der drei Tatverdächtigen über ein eigenes Einkommen verfügen, wonach sie laut Wiebels spätestens fünf Jahre nach ihrem Kommen verpflichtet sind. In allen drei Fällen konnten die Familien Einkommen nachweisen, wobei der Vater des 14-Jährigen seinerzeit einen druckfrischen Arbeitsvertrag vorlegte. Als die Stadt einen Monat später bei dem angegebenen Arbeitgeber nachfragte, habe dieser gesagt: »Den Mann kenne ich überhaupt nicht.« Noch bis Ende der Woche laufe nun eine Anhörungsfrist, in der der Familienvater sich zu dem Sachverhalt äußern könne, so Wiebels.

Erst nach 5 Jahren müssen diese EU-Bürger über eigenes Einkommen verfügen. Bis dahin haben sie Anspruch auf Hartz IV. Das Fälschen eines Arbeitsvertrages und die vorgeschriebene Anhörung verschaffen der Familie nochmal mehr als einen Monat Zeit.

»Gibt es keine positive Rückmeldung, werden wir Verfahren zur Einschränkung der Freizügigkeit einleiten«, sagte der Stadtsprecher weiter. Der Mann und seine Familie würden dann aufgefordert, freiwillig auszureisen, ansonsten drohe die Abschiebung. Der Stadtsprecher sagte, dass gegen eine Abschiebeandrohung eine Klage möglich sei.

Das klingt nicht nach einer Abschiebung. Das klingt nach einem langen Verfahren bis zur Ausreiseaufforderung und einem noch längeren bis zur tatsächlichen Abschiebung. Ein Rechtsstreit durch die Instanzen dauert noch einmal Jahre. Während dieser Zeit bezieht die Familie Sozialleistungen.

Wohlgemerkt, es handelt sich hier um einen Fall, in dem wegen der Vergewaltigung die Behörden alle Register ziehen.

Gerichtsentscheidungen machen sogar die Abschiebung von schweren Straftätern ins EU-Ausland de facto unmöglich.

Das ist die eine Seite: Es gibt in der Realität keine ernstzunehmende Möglichkeit, EU-Bürger, die die Freizügigkeit ausnutzen um auf Kosten der deutschen Steuerzahler zu leben oder schwere Straftaten begehen, in ihre Heimat zurückzuschicken.

Es kommt hinzu, dass die EU mit dem Brexit ihren zweitgrößten Nettozahler verliert. Nordmazedonien und Albanien werden bei einer Aufnahme in die EU, soviel ist absehbar, Nehmerländer.

Wie kann man bei so vielen offensichtlichen Problemen allen Ernstes weitere Balkanländer in die EU einladen? Wie abgehoben und weltfremd müssen diese Politiker sein?

Aber das Problem geht viel tiefer als nur die Aufnahme weiterer problematischer Länder in die EU. Mich stört das Muster, das ich beobachte. Mich stört, dass unsere Eliten nicht auf sich verändernde Realitäten zu reagieren scheinen.

Mich stört, dass in der Politik nicht die gleichen Regeln zu gelten scheinen wie im normalen Leben. Mich stört, dass dies noch nicht einmal mehr thematisiert wird.

Wenn in einer Familie das Einkommen schrumpft, reagiert jeder mit Sparmaßnahmen. Ich einer solchen Situation käme niemand auf die Idee, die Familienkasse mit weiteren langfristigen und nicht zwingend notwendigen Verbindlichkeiten zu belasten.

Warum ist das in der deutschen Politik anders?

In der EU ändert der Brexit die Welt, warum reagieren unsere politischen Eliten nicht darauf? Warum habe ich eher den Eindruck, dass sie noch verbohrter dem gleichen Kurs folgen als bisher?

In einem Unternehmen hätte eine Schwächung wie der Brexit große wirtschaftliche und wahrscheinlich sogar strukturelle Konsequenzen.

So etwas kann ich in der EU nicht erkennen: Wie viele EU-Beamtenstellen werden denn im Zusammenhang mit dem Brexit nicht mehr besetzt, wenn sie frei werden?

Die einzigen Informationen, die ich dazu finde ist, dass die britischen EU-Beamten ihre Stellen behalten werden. Davon, dass Stellen gestrichen werden, habe ich noch nichts gelesen.

Auch an anderer Stelle erstaunt das Vorgehen der Politik.

In einem Unternehmen haben bereits kleine Verschlechterungen bei Auftragseingang, Umsatz, Gewinn, Kosten oder Produktivität große Auswirkungen. Solchen Entwicklungen wird nicht lange zugeschaut, da werden Maßnahmen ergriffen.

Und zwar nach Wochen oder Monaten, niemand wartet jahrelang ab, bis der sinkende Auftragseingang auf den sinkendem Umsatz durchgeschlagen hat.

Im Gegensatz dazu ist deutschte Politik von hohen Kosten völlig unbeeindruckt. Selbst wenn ihre Entscheidungen Kosten in Milliardenhöhe zur Folge haben setzt kein Umdenken ein.

Das erscheint mir wie ein Paralleluniversum.

Die Wahrheit ist, dass es unsere Politik-Eliten – und mit ihnen die Medien – nicht auf das Leben reagieren. Das alte Gorbatschow-Zitat passt genau zu dieser Situation.

Das Leben ändert sich und die Politik reagiert nicht darauf. Alles ist erstarrt in der deutschen Politik.

9 Kommentare zu „Die Politik reagiert nicht auf die veränderte Realität“

  1. Der Grund ist leicht zu finden. Die Süd-Ost-Erweiterung öffnet unseren Arbeitsmarkt für ein Heer von billigen willigen Malochern.
    Geht mal sonntags auf einen beliebigen Autobahnrastplatz und schaut, wer da fährt. Bulgaren Rumänen, Ungarn. Alles legal.
    Geht mal in einen beliebigen Betrieb, wo schmutzige Knochenarbeit erledigt wird (Müllaufbereitung, Schlachthöfe, usw.). Wer malocht da? Rumänen, Bulgaren, Ungarn. Alles legal.
    Je nach Trickserei sind die Leute über einen rumänischen, bulgarischen, ungarischen Dienstleister angestellt. Alles legal.
    Die entsendeten Arbeiter müssen hier natürlich wohnen. Müssen dafür Miete oder „Servicepauschalen“ zahlen. Alles legal.
    Arbeitnehmerfreizügigkeit ist super!

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    1. Das Problem ist, dass diese billigen Malocher Produktivitätsfortschritte verhindern. Und nur die können langfristig den Wohlstand heben.

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    2. Gibt ganze Bereiche die diese Billigjobber brauchen. Hartz4 war nüchtern der Einstieg, nachdem die Masse der „habbaren“ (nüchtern betrachtet diejenigen die zuvor Arbeizslosenhilfe bekommen haben) weg war, hat man im Ostblock akquiriert. Nachdem die nun zu Ende gehen, bedarf es neuer. Interessanterweise gibt es ja ganze Völkerverschiebungen. So haben die Polen Ukrainer als Erntehelfer und die Polen waren hier als Erntehelfer. Der totale Wahnsinn. Ein wesentlicher Faktor sind auch die Subventionen die die EU gibt. Warum quer durch die EU Viecher zum Schlachten nach Deutschland gebracht werden müssen. Warum EFRE und ESF—Mittel dann für diese Firmen wiederum ausgegeben werden, ist ein weiteres Trauerspiel.
      Interessant ist ja, dass Regulierungen etc. die Preise so hoch treiben, dass die Unternehmer halt an anderer Stelle sparen müssen. Alleine beim Hausbau ist dieses gut sichtbar.

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  2. Wachstum durch Erweiterung. Die EU hat ca. 500 Millionen Konsumenten, Albanien 3 Mio., Nord-Mazedonien 2 Mio., das heisst +1% Binnenmarkt-Wachstum. Die Ukraine mit damals ca. 48 Mio. hat ja nicht geklappt (waere +10% gewesen). Das ist der Grund – und der einzige Grund – fuer nichterfolgende Abschiebungen, die geplanten Erweiterungen, usw.

    Die „Eliten“ wollen nicht etwas Gutes fuer ihre Mitbuerger, die wollen einen gesicherten Absatzmarkt, damit der Umsatz nicht auf Talfahrt geht. Die „Kosten in Milliardenhoehe“ interessieren die nicht, weil das der Durchschnittsbuerger zahlt, entweder ueber Steuern, ueber Geldmengenerweiterung (Inflation) oder stark erhoehte Mieten.

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  3. Auffallend ist doch, dass die EU bereitwilligst verarmte Staaten aufnimmt, die Jahrelang „am Tropf“ hängen werden. Genau dasselbe passiert doch mit der Einwanderung von angeblichen Flüchtlingen in die reicheren EU-Staaten. Ist genau gleich. Die A-Karte hat so oder so der Steuerzahler und Malocher. (Eine Doppel-A-Karte sozusagen.) Die Elite und die Politiker interessiert das nicht, solange sie ihre Einnahmen haben. Dieses ganze System ist kriminell. Es blutet bereits seit einigen Jahren die Mittelschicht aus. Genau! Schächten nennt man das. Dieses korrupte System wird dafür hinter sozialistischen Floskeln (Alle Menschen sind gleich und deshalb NO borders) versteckt.)

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  4. Deutschland ist halt Plünderland. War schon viel früher so. Man beachte meinen Artikel zur Sozialhilfe: https://diehassrede.wordpress.com/2019/10/21/sozialhilfe-1992/ . Nettolöhnen steigen nicht, trotz angeblicher Produktivitätsfortschritte. Renten sinken. Vermögensaufbau findet nicht statt. Infrastruktur und Co wird geschrottet. Und der Deutsche mit Leasingauto und Reihenhaus und Mini—Garten fühlt sich reich. Dazu noch in den Alll—Inclusive Urlaub in die Türkei oder Mallorca. Einmal lachen. Wenn ich mir anschaue, welches Wohlstandsniveau in anderen Ländern Akademiker haben, dann sind wir hier alle arm.

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