Autofahrer sind keine Menschen – da sind sich der Deutschlandfunk und ein radikaler Autogegner einig

Beim Deutschlandfunk gibt es einen Artikel über „Auto und Mensch„. Herman Knoflacher, Professor emeritus am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien, wird von Susanne Führer interviewt. Titel ist ein Zitat Knoflachers:

„Autofahren ist schlimmer als eine Sucht“

Wikipedia leitet „Sucht“ auf „Abhängigkeit (Medizin)“ weiter:

Abhängigkeit (umgangssprachlich Sucht) bezeichnet in der Medizin das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und beeinträchtigt die sozialen Chancen eines Individuums.

Bereits an dieser Stelle möchte ich den Artikel nicht weiter lesen. Was kann ich von Herman Knoflacher an relevanten Aussagen zu erwarten, wenn er so einen Standpunkt vertritt?

Haben Autofahrer das „das unabweisbare Verlangen“ nach Autofahren? Ordnen sie diesem Verlangen „die Kräfte des Verstandes“ unter? Beeinträchtigt Autofahren „die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und beeinträchtigt die sozialen Chancen eines Individuums“?

Natürlich nicht. Autofahren als eine Sucht zu bezeichnen ist eine so überzogene und realitätsferne Gleichsetzung, dass man sie nicht einmal mehr als Zuspitzung bezeichnen kann. Dass Knoflacher Autofahren als „schlimmer als eine Sucht“ bezeichnet, disqualifiziert ihn als ernstzunehmenden Gesprächspartner zum Thema Autofahren.

Wer ist dieser ehemalige Professor? Eine Google-Suche ergibt, dass es sich offenbar um einen radikalen Auto-Gegner handelt, der mit Aussagen wie „Das Auto macht uns total verrückt“ und „Das Auto steht der menschlichen Entwicklung entgegen“ immer wieder in der Presse zitiert wird. Knoflacher ist auch Autor des Buches „Virus Auto: Die Geschichte einer Zerstörung“. Seine Methoden, etwa „die Erziehung der Lenker durch mehr Staus“, sind selbst den Grünen zu radikal.

Interviews mit Querdenkern wie Knoflacher können durchaus interessant sein, wenn die Standpunkte kritisch hinterfragt werden. Ich lese weiter.

Es folgt ein Bild einer Autobahn und eines Kraftwerkes mit der Bildunterschrift:

Das Auto macht die Stadt zu einem lebensfeindlichen Ort.

Das ist kein Zitat von Herman Knoflacher, diese Aussage trifft der Deutschlandfunk! Damit ist klar, dass sich hier zwei Menschen gleicher Meinung unterhalten. Susanne Führer wird Herman Knoflacher nicht kritisch interviewen und seine Aussagen nicht in Frage stellen.

Deutschlandfunk Kultur: In Deutschland leben rund elf Millionen Kinder unter 14 Jahren. Angemeldete Kraftfahrzeuge gibt es fast sechsmal so viele, nämlich über 62 Millionen.

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen diesen Zahlen und der Deutschlandfunk stellt auch keinen her. Das halten sie beim Deutschlandfunk für Journalismus. Zwei willkürliche Zahlen vergleichen und unterschwellig einen moralischen Vorwurf mitschwingen lassen. Kinder gut, Autos schlecht.

Deutschlandfunk Kultur: 62 Millionen und 600.000 Kraftfahrzeuge in Deutschland, eine Million mehr als ein Jahr zuvor. – Ist das Auto ein praktisches, ein zweckmäßiges Verkehrsmittel? Das könnte man ja daraus schließen.

Ja, man könnte daraus schließen, dass Menschen ihre individuellen Kosten und ihren individuellen Nutzen abwägen und sich dann für oder gegen ein Auto entscheiden. Man könnte ebenfalls daraus schließen, dass auch die Gesellschaft die gesellschaftlichen Kosten und den gesellschaftlichen Nutzen abwägt und sich für oder gegen Autos entscheidet.

Herman Knoflacher: Es ist sicherlich auch praktisch. Es ist wahrscheinlich aus der Individualsicht immer noch zweckmäßig,

Immerhin: Herman Knoflacher scheint Menschen nicht grundsätzlich für minderbemittelt zu halten. Auch aus seiner Sicht treffen sie zweckmäßige Entscheidungen.

aber vor allem hat das Auto ja eine Welt für Autos gemacht und nicht für Kinder. Hätten wir eine Welt für Kinder und würden wir als Menschen und nicht als Autofahrer leben, dann würde sie ganz anders ausschauen.

Es fällt mir schwer, den Worten Knoflachers zu folgen. Was meint er denn damit, dass Menschen „als Autofahrer leben?“ Wieder werden moralische Kategorien impliziert: „Als Mensch leben“ ist gut, „als Autofahrer leben“ ist schlecht. „Knoflacher, du Flachknofer“, möchte ich ihm zurufen, „sind Autofahrer keine Menschen?“ Die Moralkeule steckt er nicht mehr ein. Einer „Welt für Autos“ (schlecht) stellt er „eine Welt für Kinder“ (gut) gegenüber.

Natürlich hat das Auto keine „Welt für Autos gemacht“. Menschen haben eine Welt für Menschen gemacht. Auch für Menschen in Autos. Auch für Kinder. Auch für Kinder, die in Autos mitfahren.

Es folgt ein unverständliches Geschwurbel, aus dem hervorgehen könnte – falls ich das richtig interpretiere -, dass Menschen in Autos keine Menschen sind und eher Primaten vor vielen Millionen Jahren gleichen.

Susanne Führer hinterfragt nichts.

Und wenn er dann drauf steigt, verbindet sich seine geringe Körperkraft von 0,1 bis 0,2 PS mit den 240 oder 340 PS. Und das gibt ihm unglaublich viel Kraft. Das findet im Hirn statt. Also ist man hier massiv abhängig vom Auto. Das ist das eine.

Das soll der Beweis sein, dass Autofahren eine Sucht ist? Das ist peinlich. Kein Beleg, gar nichts.

Das zweite ist, es gibt gesetzliche Zwänge, um Autos zu besitzen und Auto zu fahren.

Welche „gesetzlichen Zwänge“ gibt es, „um Autos zu besitzen und Auto zu fahren“? Was fabuliert Knoflacher da? Geht es dem Mann gut, benötigt er Hilfe?

Weil, wenn sie so eine Welt bauen, dann verhalten sich die Menschen einfach intelligent und egoistisch. Das war in der gesamten Geschichte der Evolution vorteilhaft, fällt uns aber in dem Fall, beim Autoverkehr, ganz massiv auf den Kopf bzw. in die Lungen.

Ich glaube, er möchte sagen, dass Teile unserer Welt – die Straßen – auf Autos ausgerichtet sind und dass Menschen deswegen auf Autos setzen. Und Autos produzieren Abgase und die sind schlecht für die Lunge.

Damit hat er Recht. Trotzdem greift er zu kurz. Denn natürlich ist nicht die ganze Welt für Autos gebaut. Und – viel wichtiger – er sagt nichts zu den Alternativen: Höhlenmenschen hatten keine Stickoxide und Feinstaub von Autos in ihrer Lunge (aber vielleicht von ihrem Lagerfeuer). In diese Gesellschaft möchte ich aber trotzdem nicht zurück.

Wie alle technischen Systeme haben Autos Vor- und Nachteile. Das ist nichts besonderes. Züge transportieren mich von A nach B, sie können aber auch entgleisen und mich töten. Mit Flugzeugen ist das ähnlich.

Mobiltelefone ermöglichen es, jederzeit mit jedem kommunizieren zu können, je nach Situation kann das aber auch nerven.

Röntgenstrahlen helfen Knochenbrüche zu diagnostizieren, sie können aber auch die Erbanlagen schädigen und Krebs auslösen.

Windanlagen erzeugen Strom, machen aber einen Heidenlärm auch in einer ansonsten naturbelassenen Landschaft.

Wie bei allen technischen Systemen entscheidet eine Abwägung der Kosten und des Nutzens, ob man ein System nutzt. Das gilt individuell und gesellschaftlich.

Manche technische Systeme setzen sich nicht durch oder sterben aus, wenn es bessere Systeme gibt. Andere setzen sich durch. Gut so.

Deutschlandfunk Kultur: […] Ich wollte nochmal bei dem Punkt bleiben, wie praktisch oder zweckmäßig das Auto ist. Ich habe jetzt gerade gelesen, in München zum Beispiel steht jeder Autofahrer 49 Stunden pro Jahr im Stau, also über eine gesamte Arbeitswoche.

Was Susanne Führer für eine provokante Frage hält ist eigentlich ein starkes Argument für Autos: Autos sind so viel zweckmäßiger als öffentliche Verkehrsmittel für die Individuen in München, dass sie sie sogar trotz 49 Stunden jährlich im Stau noch nutzen!

Offensichtlich sind die Menschen in München damit trotz allem immer noch schneller am Ziel. Oder glaubt Susanne Führer ernsthaft, dass die Leute das Auto nehmen, obwohl die öffentlichen Verkehrsmittel für ihre Strecke schneller sind?

Herman Knoflacher: […] die Menschen in Deutschland, wie anderswo, arbeiten pro Jahr ungefähr sechs bis sieben Wochen, um sich den Autoverkehr leisten zu können. Also nicht nur das Auto, sondern das sind ja eine ganze Reihe von Nebenkosten – die Infrastruktur, die Überwachung, die Krankenhäuser etc. Wenn man das umrechnet, dann hätte man eigentlich fast zwei Monate Urlaub, anstatt ein Auto zu haben, und würde in einer gesunden Umgebung leben. – Aber das ist alles rational.

Diese Rechnung mag stimmen oder auch nicht, entscheidend ist doch: Warum glaubt Herman Knoflacher besser als die Menschen selbst zu wissen, wie ihre Aufwands-Nutzen-Rechnung aussieht?

Ohne Auto hätten viele Menschen sogar das ganze Jahr Urlaub, weil sie keinen Job hätten, zu dem sie mit dem Auto gelangen können. Ich bin mir nicht sicher, ob Herman Knoflacher weiß, wie die Welt funktioniert. Nicht jeder lebt in der Großstadt. Und auch dort lebt nicht jeder direkt neben seinem Arbeitgeber.

Das heißt, der Zugriff auf das Auto findet ja ganz tief im Unterbewusstsein auf der ältesten Schicht des Menschseins oder überhaupt der Lebewesen statt. Dort sitzt das Auto und dreht alles in Richtung Auto.

„Das heißt“?!

Hier fehlt kein Teil der Aussage, Herman Knoflacher leitet aus der vorher zitierten Aussage ab, dass Autofahrer unterbewusst irrational handeln und Autohöhlenmenschen sind.

Ich kann den geistigen Verrenkungen dieses Mannes nicht folgen.

Herman Knoflacher: .. ja, dann zeigt das ja ganz deutlich, was man auch in den Ausgaben der Haushalte sieht. Die Haushalte geben – bei Ihnen genauso wie bei uns oder in der Schweiz – ungefähr 15, 16 Prozent im Wesentlichen für den Autoverkehr aus. Das ist der gesamte Verkehrsanteil, aber der Hauptanteil ist Autoverkehr. Aber sie geben nur elf bis zwölf Prozent für die Kinder aus.

Äpfel? Birnen? Menschen geben so viel für bestimmte Dinge aus, wie angemessen und notwendig ist. Benötigen Kinder in Haushalten, die sich ein Auto leisten können, größere finanzielle Zuwendungen?

Nach meinem Eindruck eher nicht. Die Kinder, die ich kenne, werden von allen Seiten mit Geschenken ausreichend bedacht. Sie besitzen eine technische Ausstattung von der ich als Kind nur träumen konnte.

Auch die Grundannahme – nämlich der Widerspruch zwischen Auto und Kind – ist absurd: Haushalte geben für Wohnen einen noch größeren Anteil ihres Budgets aus als für Autos. Bedeutet das, dass den Menschen ihr Parkett wichtiger ist, als ihre Kinder?

Natürlich nicht: Kinder leben auf dem gleichen Parkett. Und Kinder fahren mit den Eltern im Auto in den Urlaub. Oder sie werden im Auto zur Schule gebracht.

Herman Knoflacher bringt keine relevanten Argumente. Susanne Führer stellt keine kritischen Fragen, obwohl sie auf der Hand liegen. Das ist Journalismus im Deutschlandfunk.

Das heißt, hier zeigt sich, was den Menschen wichtiger und lieber ist – die Kinder oder das Auto. Und wären die Eltern Menschen, dann würden sie die Umwelt nicht autogerecht machen, aber sie sind Autofahrer. Das Auto ist dem Menschen immer näher als jeder zweite andere Mensch. Das klingt zwar etwas sozusagen hart, aber es ist die Realität.

Nein, das ist nicht die Realität. Und das klingt für mich nicht hart, sondern dumm. Denn die Eltern sind natürlich Menschen.

Wenn Eltern ein Auto benötigen um ein Einkommen zu erzielen und trotzdem noch Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ist das im Interesse der Kinder. Es ist dumm, einen Gegensatz zwischen Auto und Kindern zu konstruieren.

Autos auf Umweltverschmutzung und Unfälle zu reduzieren und daraus abzuleiten, dass den Menschen Autos näher sind als ihre Kinder, ist einfach nur dumm.

Das heißt: Wären die Kinder den Eltern näher als das Auto, dann würden sie den Lebensraum der Kinder verteidigen.

Das würde nur stimmen, wenn der „Lebensraum der Kinder“ (1) das einzige für Kinder wichtige Kriterium wäre und (2) die Welt nur aus Straßen bestehen würde. Denn es gibt ja Lebensräume für Kinder, zum Beispiel Gärten, Spielplätze, Fußgängerzonen und Wälder.

Der von Herman Knoflacher erfundene Schwarz-Weiß-Gegensatz zerfällt, sobald man nur ganz kurz darüber nachdenkt.

Dann würden sie dafür sorgen, dass die Kinder so aufwachsen, wie es in der Menschheit, auch in der urbanen Gesellschaft seit zumindest zehntausend Jahren immer der Fall war, dass der öffentliche Raum in erster Linie den Menschen vorbehalten ist.

Herman Knoflacher scheint nicht zu begreifen, dass Autos sich nicht grundlos ausgebreitet haben. Der Lebensraum der Menschen in den vergangenen „zehntausend Jahren“ beschränkte sich häufig auf wenige Blocks oder das eigene Dorf. Das Auto ist Teil des zivilisatorischen Fortschritts. Die naive Romantisierung des radikalen Autogegners Knoflacher wird von Susanne Führer nicht in Frage gestellt.

Die Behauptung Knoflachers ist in mehrfacher Hinsicht Blödsinn. Erstens sind auch Straßen öffentlicher Raum, der den Menschen vorbehalten ist. Sie dienen einem Zweck, nämlich dem Autofahren. Das macht das Autofahren für Menschen sicherer und schneller. Das gilt übrigens auch für Schienenwege.

Zweitens gab es auch in der Vergangenheit öffentliche Räume, die anderen Zwecken vorbehalten waren. Etwa Felder, die dem Zweck dienten, Nahrung anzubauen und Wälder, die Fürsten für die Jagd vorbehalten waren.

Das hat sich geändert, nachdem das Auto aus dem tiefsten Stammhirn sozusagen heraus befiehlt, was zu geschehen hat.

Und wieder kommt er – unbelegt – damit, dass Autofahrer zutiefst irrational handeln. Fremdgesteuert, befohlen „aus dem tiefsten Stammhirn“. Alarm! Autofahrer brauchen medizinische Behandlung!

Echte Erfahrung mit Suchterkrankungen scheint Knoflacher nicht zu haben. Er berauscht sich anscheinend an seinen radikalen Visionen, weiß aber nicht, was es bedeutet, etwa von Alkohol oder Drogen abhängig zu sein. Der Mann hat keine Ahnung. Geh mal raus aus der Uni, Flachknofer, sieh dir mal die Arbeit der Wiener Suchthilfe an!

Ich erlebe es ja seit Jahrzehnten, wenn ich zum Beispiel Teile von Städten autofrei mache, diesen erbitterten Kampf gegen die Entfernung des Autos aus der Nähe der Wohnungen, der Geschäfte und dergleichen, obwohl eigentlich alle diese Lösungen im Endeffekt für alle wesentlich besser waren.

Hier musste ich schmunzeln. Natürlich waren „eigentlich alle diese Lösungen im Endeffekt für alle wesentlich besser“. Herman Knoflacher weiß besser als die Menschen selbst, was gut für sie ist.

Ich stelle mir vor, wie Menschen, die in der Nähe ihrer Wohnungen parken wollen, einem verbohrten, besserwisserischen Ideologen zu erklären versuchen, dass sie deswegen mit dem Auto fahren, weil sie Zeit sparen wollen oder müssen. Und dass sie Zeit nur sparen können, wenn sie nicht erst lange zum Auto laufen müssen oder viel Zeit für die Parkplatzsuche aufwenden müssen.

Oder dass sie ihren Wocheneinkauf nicht erst weit vom Auto zur Wohnung tragen möchten.

Jeden Widerspruch führt Herman Knoflacher einfach auf das „tiefste Stammhirn“ zurück und wischt ihn vom Tisch. Sachliche Gegenargumente gegen seine Position kann es nicht geben.

Bezeichnend ist die beiläufige Hervorhebung der eigenen Wichtigkeit: „…wenn ich zum Beispiel Teile von Städten autofrei mache“. Knoflacher macht das? Allein? Wer sich so in den Vordergrund drängt, liest seinen Namen auch gern in der Presse. Da muss man schon Gesprächsstoff bieten. Ein Zusammenhang zur Radikalität seines Geschwafels ist natürlich reine Spekulation.

Und die Geschäfte machen einfach wesentlich mehr Umsätze, weil, pro Quadratmeter Fläche kann ich wesentlich mehr Brieftaschen in Fußgängern unterbringen als in geparkten Autos.

Wie kommen die Menschen in die Fußgängerzonen? Manche von ihnen kommen mit dem Auto oder gar nicht. Dann ist es zwar schön, dass es mehr Platz für Fußgänger gibt, es gibt aber weniger von ihnen.

Deutschlandfunk Kultur: […] Also, wenn die Eltern eben mit dem Auto zur Arbeit fahren, dann sorgen sie mit dafür, dass ihre Kinder nicht mehr frei auf der Straße spielen können.

Und wieder: Es wird nur die eine Seite betrachtet. Haben die Eltern keinen Job, weil die Arbeitsstelle weiter entfernt liegt, ist den Kindern nicht geholfen.

Ich glaube, Sie haben mal in einem Interview, Herr Knoflacher, eine Studie genannt, nach der Eltern eher den Parkplatz vor der eigenen Haustür wählen, als eine verkehrsberuhigte Zone.

Herman Knoflacher: Ja, absolut, das ist völlig richtig. Da entstehen alle diese Argumente, die man auch von suchtabhängigen Menschen kennt, warum man dringend das Auto braucht.

Die ständige Wiederholung macht die Behauptung nicht wahrer. Gibt es wirklich keine sachlichen Argumente, die gegen die Suchtbehauptung Herman Knoflachers sprechen?

Susanne Führer nennt jedenfalls keine. Sie scheint den Beruf der Journalistin als Stichwortgeberin zu verstehen.

Deutschlandfunk Kultur: Also ist das Autofahren eine Sucht?

Herman Knoflacher: Es ist auch eine Sucht, aber es ist schlimmer als die üblichen Süchte.

Der eingangs zitierte Wikipedia-Artikel definiert Sucht. Herman Knoflacher weiß nicht, wovon er redet.

Das Auto sitzt viel tiefer im Stammhirn, dort, wo Energie verrechnet wird.

Aha. „Dort, wo Energie verrechnet wird.“ Alles klar.

Süchte sind meistens erst bei den Biomolekülen anzutreffen.

Endlich verstehe ich es. „Süchte sind meistens erst bei den Biomolekülen anzutreffen“, aber nur wenn man das geheime Klopfzeichen kennt und den geheimen Händedruck. Erst dann sind sie bei den „Biomolekülen anzutreffen“.

Das heißt, das Auto ist noch etwas stärker als die üblichen Süchte.

„Das heißt?“ Aus diesem zusammenhangslosen Geschwätz ergibt sich also etwas? Autos sind stärker als die Unterordnung der Kräfte des Verstandes?

Das Auto ist stärker als die Beeinträchtigung der freien Entfaltung einer Persönlichkeit?

Wir bringen weltweit 1,2 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen um. Wir bringen ungefähr fünf bis sechs Millionen Menschen durch die Abgase um. Und wir verletzten jedes Jahr ungefähr zwischen zwanzig und fünfzig Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen.

Die Zahlen mögen stimmen, auch wenn die Wortwahl wieder provokant flachknoferisch ist. Aber warum entscheiden sich dann weltweit alle Gesellschaften für Autos? Warum sind alle Gesellschaften dümmer als Herman Knoflacher?

Die Antwort ist einfach: Sie sind gar nicht dümmer. Nach der Abwägung von Kosten und Nutzen überwiegt der Nutzen. Der ist meist erst bei den Biomolekülen anzutreffen.

Stellen Sie sich vor, das würde im Terrorismus passieren. Das wäre ein Aufschrei und alle Staaten würden alles unternehmen, damit dieses Abschlachten, Töten und indirekte Umbringen von Menschen sofort verhindert wird.

Die Kosten-Nutzen-Abwägung für Terrorismus für die Opfer ist ganz einfach: Der Nutzen ist Null. Die Kosten sind immens. Das ist kein Vergleich mehr von Äpfeln und Birnen, das sind Steine und Schokolade, die unser Experte aus Wien hier vergleicht.

Aber das Auto im Kopf sagt: Das ist ja wunderbar. Wichtig ist, dass ich mich bewegen kann.

Hier muss ich den international anerkannten Professor in Schutz nehmen. Ich denke, dass Herman Knoflacher die Stimmen in seinem Kopf tatsächlich für real hält.

Und in den vergangenen Jahren war auch immer wieder zu lesen und zu hören, dass die jungen Leute eigentlich Autos gar nicht cool finden.

Nach diesen Angaben müssten es weniger Autos werden – wird’s aber nicht. Es werden immer mehr.

Junge Leute finden Autos nicht cool. Und trotzdem gibt es dieses Jahr eine Million Autos mehr auf Deutschlands Straßen. Das klingt doch nicht so, als würden sie sich aus den von Herman Knoflacher erfundenen irrationalen Gründen für ein Auto entscheiden, sondern als würden sie Autos emotional „nicht cool“ finden und sich dann trotzdem ein Auto kaufen – aus sachlichen Gründen.

Beispielsweise – und jetzt kommt es – weil sie Kinder bekommen. Ist Herman Knoflacher schon einmal mit zwei kleinen Kindern, zwei Koffern und einem Kinderwagen Zug gefahren? Mit Umsteigen?

Das mag in der Traumwelt von Herman Knoflacher ganz einfach sein. In der Welt die ich kenne, kaufen sich Menschen ein Auto, weil sie Kinder bekommen. Weil Reisen in anderen Verkehrsmitteln mit Kindern extrem unpraktisch und anstrengend ist.

Und weil man mit kleinen Kindern niemals pünktlich den Zug erreicht.

Herman Knoflacher: Das trifft auch dort zu, wo man sozusagen qualifizierte und wissenschaftlich fundierte Verkehrspolitik betreibt, wie etwa in Wien.

Auch dort „wo man sozusagen qualifizierte und wissenschaftlich fundierte Verkehrspolitik betreibt“ werden es also mehr Autos?

Typisch für Ideologen ist, dass sie trotz aller gegensätzlichen Zeichen auf ihrem Standpunkt beharren.

Herman Knoflacher: […] Sie haben das in allen Bauordnungen, ausgenommen in Berlin und Hamburg, nach wie vor drin. Aber dort hat man das erst seit einigen Jahren herausgenommen. Sie müssen zu jeder Wohnung einen Abstellplatz oder mehrere Abstellplätze auf eigenem Grund zur Verfügung stellen. Oder Sie müssen Strafe zahlen, das heißt, Ablösung zahlen. Das ist überall in Deutschland gefordert. Aber Sie brauchen bei einer Wohnung kein Kinderzimmer. Sie brauchen im Umfeld der Wohnung keinen Spielplatz für Kinder, wo sich die treffen können, für die Alten usw.

Alle Wohnungsbauprojekte die ich kenne, bauen einen Spielplatz, weil er vorgeschrieben ist.

Beispielsweise in NRW:

Ein Gebäude mit Wohnungen darf nur errichtet werden, wenn eine ausreichende Spielfläche für Kleinkinder auf dem Grundstück bereitgestellt wird.

Herman Knoflacher hat keine Ahnung. Er schwafelt nur.

Und wozu benötigt jede Wohnung ein Kinderzimmer? Wissen die Menschen nicht selbst, welche Wohnung sie sich aussuchen? Müssen Singles gezwungen werden, ein Kinderzimmer zusätzlich zu bezahlen, obwohl sie es nicht benötigen und sich vielleicht nur schwer leisten können?

Kommt Herman Knoflacher nicht in den Sinn, dass es im Sinne der Allgemeinheit ist, wenn für neue Wohnungen auch Parkplätze geschaffen werden? Weil es ansonsten noch weniger Parkplätze gäbe?

In diesem Beitrag bestätigt der Deutschlandfunk, dass es in Deutschland immer mehr Autos gibt. Gleichzeitig konzentriert sich die Bevölkerung immer mehr auf größere Städte. Das bedeutet doch, dass es in den Städten für Menschen mit Auto immer schwieriger wird.

Herman Knoflacher sind diese Menschen und ihre Probleme egal.

Wir hatten 65 Prozent der Mobilität in Deutschland 1950 im öffentlichen Verkehr. Heute haben wir 17, 18 Prozent im öffentlichen Verkehr. Da kommt man nicht weg, solange man nicht das Auto aus den Siedlungen entfernt bzw. aus der Nähe der Wohnungen und Häuser.

Ein Ideologe will die Menschen umerziehen.

Dass sich die Situation seit 1950 grundlegend geändert haben könnte, dass man heutzutage einfach größere Entfernungen zum Arbeitsplatz zurücklegen muss als damals, solche Erfahrungen sind dem renommierten Verkehrswissenschaftler fremd.

Heutzutage arbeiten im Regelfall zwei Personen eines Haushaltes, 1950 war es meist nur einer. Wenn nicht gerade beide Partner den gleichen Arbeitnehmer haben, muss einer pendeln.

Hohe Wohnkosten in Städten sind ein weiterer Faktor, der den Weg von zu Hause zur Arbeit verlängert.

Reale Sorgen echter Menschen kümmern Herman Knoflacher nicht. Die sollen mal ihr Stammhirn in den Griff bekommen und die Stimmen in ihrem Kopf abschalten.

Herman Knoflacher: […] Deshalb müssen meine Studenten, die sind ja meistens in der Normalität des Autolebens aufgewachsen, alle eine Stunde Erfahrung mit dem Rollstuhl oder dem Kinderwagen machen, damit sie wissen, welche Katastrophe in den letzten fünfzig, sechzig Jahren hier gebaut wurde.

Nach meiner Erfahrung ist der öffentliche Raum in den letzten Jahrzehnten für Rollstühle und Kinderwagen deutlich verbessert worden. Abgesenkte Bordsteine und Aufzüge sind heutzutage Standard.

Im übrigen gibt es heute sehr viele Parkplätze für Gehbehinderte. Sollen die nach Herman Knoflachers Meinung ebenfalls laufen?

Dann kommt die Sprache auf die Wertschöpfung, die durch die Autoindustrie in Deutschland geschaffen wird.

Herman Knoflacher: Man muss der Wertschöpfung auch immer die Wertverluste gegenüberstellen. Die Wertverluste sind die abnehmende Lebensqualität, die Verlärmung, die Vergasung der Lust, die enormen Erhaltungskosten, die Sozialkosten und dergleichen, die dem Auto nicht angelastet werden – noch bis heute.

Im Gegenzug beschränkt sich die Wertschöpfung von Automobilen aber nicht nur auf die Herstellung. All die negativen Effekte, die Herman Knoflacher hier aufzählt, stehen natürlich einem Nutzen gegenüber, der durch die Nutzung der Autos entsteht.

Menschen kommen mit dem Auto zu ihrem Arbeitsplatz, Menschen können mit dem Auto in den Urlaub fahren, Menschen bringen ihre Kinder mit dem Auto in die Schule und Menschen erledigen ihre Einkäufe mit dem Auto.

Natürlich könnten die Menschen ihr Leben auch so umstrukturieren, dass sie seltener oder gar nicht mehr auf ein Auto angewiesen sind – ich glaube so etwas schwebt Herman Knoflacher wohl vor.

Das geht aber mit einem großen Verlust an persönlicher Freiheit einher, den Herman Knoflacher nicht sehen kann oder will.

Verzichtet man auf das Auto, verringert sich der Bereich, in dem die Arbeitsstelle liegen kann. Das kann bedeuten, dass man nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch noch umziehen muss, um die neue Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.

Hat man einen ebenfalls arbeitenden Partner kann dies auch keine Option sein. Dann bleibt man arbeitslos oder ist vielleicht gezwungen, einen weniger attraktiven Job mit geringerer Bezahlung anzunehmen.

Verzichtet man auf das Auto, schränkt sich auch der Bereich für Einkäufe ein. Dann muss man vielleicht mit dem Discounter oder Supermarkt auskommen, der nicht alles führt, was man haben möchte.

Oder viel einfacher: Ein Supermarkt ist schmutzig, verwahrlost und das Obst und Gemüse ist häufig gammelig. Mit Auto kein Problem: 10 Minuten weiter gibt es einen sauber geführten Laden.

Verzichtet man auf das Auto, muss das Kind vielleicht in eine Schule gehen, die nicht die optimalen Bildungschancen bietet.

Verzichtet man auf das Auto, muss man vielleicht in eine viel zu kleine Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes ziehen, weil man sich an diesem Ort keine größere Wohnung leisten kann.

Ohne Auto verringern sich unsere Möglichkeiten. Herman Knoflacher sieht nur die negativen Eigenschaften von Autos und blendet alles andere aus.

Und diese unglaubliche Förderung, das Auto wird ja an allen Ecken und Enden massiv gefördert. Sie können in Berlin oder in den Städten ja praktisch kostenlos oder mit geringem Aufwand Ihr Auto abstellen.

Ich kenne keine Stadt, in der man noch überall kostenlos parken kann. Ich bin mir nicht sicher, ob Herman Knoflacher wirklich noch Kontakt zu realen Menschen hat.

Die Supermärkte kaufen sich ein Grundstück, machen dort eine Reihe von Parkplätzen, und sie zahlen nicht die entsprechenden Abgaben, die ihre Konkurrenten seinerzeit, die es noch gab in der Stadt, an Abgaben leisten mussten, indem Kurzparkzonen eingeführt wurden.

Die Abgaben muss nur bezahlen, wer keine Parkplätze zur Verfügung stellt. Was genau will Herman Knoflacher eigentlich? Will er Supermärkten verbieten, Parkplätze auf ihren Grundstücken anzubieten? Will er Supermärkte verbieten?

Das heißt, es hinkt an allen Ecken und Enden im Rechtssystem, das total auto-orientiert aufgestellt ist. Das Auto hat enorme Privilegien.

Die angeblichen Privilegien des Autos sehen so aus, dass es das einzige Verkehrsmittel ist, das ohne Subventionen funktioniert. Bus, U-Bahn und S-Bahn werden aus Steuermitteln finanziert. Auch beim Fernverkehr der Deutschen Bahn werden die Trassen vom Steuerzahler finanziert.

Hinzu kommt: Die Straßen und Radwege, über die Busse und Fahrräder fahren, gibt es nur, weil sie durch Autos finanziert werden. Sie nur für Busse und Fahrräder zu bauen, würde sich nicht lohnen.

Die Privilegien des Autos sehen so aus, dass von 600 Milliarden Euro Steueraufkommen in 2012, 39,3 Milliarden Euro aus der Mineralölsteuer und 8,4 Milliarden Euro aus der Kraftfahrzeugsteuer stammen.

Das sind fast acht Prozent der Steuereinnahmen. Hinzu kommt der Anteil der Mehrwertsteuer, der im Zusammenhang mit Autos steht: Beim Tanken, in der Werkstatt und nicht zuletzt beim Kauf eines Autos.

Ich behaupte nicht, dass Autos keine negativen Auswirkungen haben. Man muss aber den negativen Folgen auch die positiven Effekte entgegenstellen.

Und die große Frage wurde noch gar nicht gestellt: Wie würde unser Land ohne Autos aussehen, wie hoch wäre unser Lebensstandard?

Ich kann diese Frage nicht beantworten, das wäre die Aufgabe von Experten. Der Experte dieses Interviews scheint aber durch seine autofeindliche Ideologie geblendet zu sein. Von ihm erwarte ich dazu keine neutralen Aussagen.

Etwa allein der Begriff „Gehsteige“: Also, die Menschen müssen sozusagen auf einem Steig dahingehen, damit sich die Autos Fangespiele leisten können.

Und das war vor dem Auto besser? Schlammige Straßen voller Pferdefuhrwerke waren besser als das, was wir heute haben?

In Wirklichkeit gibt es ja im Autoverkehr keine Zeiteinsparung gegenüber den Fußgängern. Das heißt, Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer sind genauso lange unterwegs, obwohl die Geschwindigkeiten sehr unterschiedlich sind.

Man kann in der gleichen Zeit mit dem Auto eine längere Strecke zurücklegen als mit dem Fahrrad, also in kürzerer Zeit die gleiche Strecke. Und das ist keine Zeiteinsparung? Hört der Mann sich selbst eigentlich zu?

Durch die hohen Geschwindigkeiten des Autos werden nur die Strecken länger. Und wenn die Strecken länger werden, ändern sich die Siedlungsstrukturen.

Wenn ich in der gleichen Zeit eine längere Strecke zurücklegen kann nenne ich das einen Gewinn von Freiheit.

Herman Knoflacher möchte offensichtlich in die Siedlungsstrukturen zurück, in denen die Arbeiter einer Firma direkt neben dem Werk leben. So wie das in China noch häufig der Fall ist.

In China läuft das dann so, dass Ehepartner in unterschiedlichen Gemeinschaftsunterkünften unterschiedlicher Arbeitgeber untergebracht sind.

Ist dieses Modell im Sinne Herman Knoflachers? Schließlich sind die Wege kurz, ein Auto wird nicht benötigt.

Herman Knoflacher: […] Das heißt, physische und geistige Mobilität hängen unmittelbar zusammen. Je weniger geistige Mobilität, umso mehr physische Mobilität. Das heißt, die Zersiedelung ist ja eine Folge des Nichtbegreifens der menschlichen Siedlungen. Wenn man menschliche Siedlungen früher gebaut hat, musste man ziemlich viel Hirnschmalz aufwenden, um die richtig zusammenzusetzen, kompakt so zu gestalten, dass später sozial und ökologisch das Ganze funktioniert.

Wenn man nur genügend darüber nachdenkt, dann kommen Siedlungen heraus, die nicht auf Autos angewiesen sind? Ich bezweifle, dass es so einfach ist.

Dagegen spricht schon, dass früher alle Siedlungen ohne Autos ausgekommen sind und sich die Bewohner trotzdem überall für Autos entschieden haben. Die Prämisse scheint also nicht korrekt zu sein.

Man konnte ohne Autos überleben, ja. Aber der Lebensstandard mit Auto ist so viel höher, dass sich die meisten Menschen dafür entschieden haben.

Man kann ohne Auto leben, das streite ich nicht ab. Aber auch daraus ergeben sich Zwänge und Einschränkungen.

Seitdem wir mit dem Auto unterwegs sind, ist das vollkommen gleichgültig. Das heißt, wir bauen immer hässlichere Städte.

So als ob früher alles perfekt gewesen wäre. Hat der Mann mal Bilder von Arbeitersiedlungen gesehen?

Um kurze Wege zu ermöglichen, müssen viele Menschen auf wenig Fläche leben. Dieser Zusammenhang ist unvermeidlich. Sobald man die Fläche pro Person vergrößert, werden die Wege zum Zentrum zwangsläufig länger.

Ja, Herman Knoflacher hat recht, früher wurde so gebaut, dass man nicht auf Autos angewiesen war. Ich möchte trotzdem nicht in dieser Zeit leben:

Eine Arbeiterfamilie im 19. Jahrhundert lebte auf engstem Raum, in feuchten Wohnungen mit winzigen Fenstern. Denn unsere Städte bestanden aus überbevölkerten Mietskasernen, dicht an dicht gebaut.

Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges gab es in mehr als 90 Prozent der Wohnungen in Wien kein fließendes Wasser. In Berlin teilten sich oft dutzende Menschen eine Toilette im Hof.

Ein Blick auf das Foto dieses Artikels sagt alles. Zum Glück gibt es heutzutage Autos, so dass solche angespannten Wohnsituationen nicht mehr notwendig sind, weil die Menschen in sinnvoller Zeit weitere Strecken zurücklegen können, so dass sich für die meisten Menschen ein größerer Wohnungsmarkt erschließt.

Ein weiterer Artikel dazu:

Es gab ein Minimum, das als Größe für eine Arbeiterwohnung vorgeschrieben war und dieses bestand aus einer Stube und einer Wohnküche. Eigentlich. Es blieb bei der Theorie, denn die meisten Arbeiterwohnungen verfügten nicht einmal über diese einfache Trennung.

Die Wohnungen wurden übrigens nicht nach dem Quadratmeterbedarf eines Menschen berechnet, sondern nach seinem Bedarf an Atemluft. Das bedeutete, dass die Wohnungen klein, aber hoch gebaut wurden. So gab es zwar mehr Luft zum Atmen, aber weniger Raum zum Leben. Da immer viel zu viele Menschen in einem Raum lebten, gab es dann auch nicht die Menge an Luft, die eigentlich jeder haben sollte.

Auch hier wird deutlich: In einer industrialisierten Gesellschaft werden viele Menschen an einem Platz benötigt. Zum Glück verfügen wir über Verkehrsmittel, die es uns ermöglichen solchen Verhältnissen zu entgehen.

In eine vorindustrielle Gesellschaft möchte ich jedenfalls nicht zurück.

Zurück zum Deutschlandfunk:

Wir zersiedeln die ganze Gegend immer mehr und müssen immer weiter fahren, wenn wir komplementäre Funktionen brauchen. Wir haben immer weniger Beschäftigte in den zentralen Geschäftsstrukturen, wir haben das untersucht, im Vergleich zu den kleinen Geschäften. Und die Menschen, die dort arbeiten, sind immer unglücklicher als die mit kleinen Geschäften, die die Kunden kennen – usw.

Ich nehme mal an, dass er mit Geschäften Läden meint. Also die Beschäftigten arbeiten lieber in kleinen Geschäften. Dafür habe ich Verständnis.

Symptomatisch für Herman Knoflacher ist, dass er in diesem Interview die andere Seite nicht betrachtet: Die Kunden scheinen „kleine Geschäfte“ eben nicht zu bevorzugen, sonst würden die kleinen Geschäfte nicht von den großen verdrängt werden.

Ein Grund dafür könnte beispielsweise sein, dass es einem Menschen wie Herman Knoflacher immer schwerer machen, mit dem Auto zu den „kleinen Geschäften“ zu gelangen. Macht Herman Knoflachers Ideologie die Menschen also unglücklich?

Deutschlandfunk Kultur: Aber man kann doch nicht bestreiten, wenn jetzt das E-Auto, angenommen, es würde flächendeckend eingeführt werden, dann gibt es immerhin keinen Lärm mehr und kein CO2 wird ausgestoßen. […]

Herman Knoflacher: Nein, nein, da sind zwei Irrtümer dabei. Erstens einmal, der Lärm kommt ja nicht aus dem Motor. Das wird ja völlig falsch interpretiert. Ab dreißig, vierzig km/h ist die Lärmquelle der Reifen. Und Elektroautos werden, wenn es nicht leichte Batterien irgendwann einmal geben sollte, schwerer sein als die normalen benzinbetriebenen oder dieselbetriebenen Fahrzeuge, die eine wesentlich höhere Energiedichte haben als die Elektroautos. Das heißt, die werden noch schwerer werden. Damit wird mehr Lärm sein.

Außerdem werden diese Reifen, wie es heute bereits der Fall ist, was immer unter den Tisch gekehrt wird, einen wesentlichen Beitrag zur Feinstaubentwicklung leisten. Das ist das eine.

Das zweite: Ein Elektroauto ist in der Regel nicht einen Quadratmillimeter kleiner als ein normales benzinbetriebenes Auto. Und das Problem ist eigentlich der Platz. Es geht um den Platz. Hier am Platz wird der Mensch aus dem öffentlichen Raum und aus den Städten usw. verdrängt.

Endlich gibt es greifbare Fakten in diesem Interview. Sogar Ideologen wie Herman Knoflacher verstehen, dass Elektroautos nicht die Probleme der Welt lösen können.

Damit ist er jedenfalls Deutschlandfunk-Journalistinnen voraus.

Das heißt, wir müssen wieder zurück auf den menschlichen Maßstab. Es ist der einzige Maßstab, der zu uns passt. Es ist der Maßstab des Fußgängers. Dem sind wir geistig gewachsen. Und den höheren Geschwindigkeiten sind wir geistig nicht gewachsen. Das heißt, wir müssen, wenn wir schnell unterwegs sind, die Umwelt derart drangsalieren und vereinfachen, dass wir mit den Informationen, die dann auf ein Minimum reduziert werden, noch auskommen. Das ist dann die Autobahn.

Der Mensch verändert die Umwelt seit tausenden Jahren. Ohne Menschen wäre Mitteleuropa von Wald bewachsen. Menschliche Kulturlandschaften prägen unsere Umgebung. Warum sollten Straßen und Autobahnen schlechter sein als andere Eingriffe in die Natur?

Ist ein weithin sichtbares Windrad besser als eine Straße?

Ich verstehe nicht, warum sich Herman Knoflacher so sehr auf Autos eingeschossen hat. Warum sieht er darin das zentrale Problem unserer Gesellschaft, welches für alles Schlechte verantwortlich ist und keine guten Seiten hat?

Warum hinterfragt Susanne Führer das nicht kritisch?

Also, die dümmsten Studenten können eine Autobahn projektieren, aber nur die begabtesten sind in der Lage, eine gute Fußgängerzone zu planen.

Ich denke, dass beides seine Herausforderungen hat. Unbelegt glaube ich das jedenfalls nicht und er gibt auch keinen Hinweis, was die besonderen Herausforderungen an Fußgängerzonen sind.

Herman Knoflacher: […] Ich glaube, es macht den Frauen und den Männern Vergnügen Auto zu fahren. Also, wenn das autonom stattfindet, dann zeigt das nur eine lineare Fortsetzung der Abwertung des Menschen. Das heißt, der Mensch wird zum Transportgut abgewertet.

Kurz nachdem wir an Fakten schnuppern durften, wird es wieder esoterisch. Autonomes Fahren als Abwertung von Menschen als Transportgut.

Jeder der den Bus oder die Bahn nutzt kennt dieses Gefühl: Man fühlt sich als Transportgut abgewertet.

Ohne Begründung wird hier ein völlig normaler Vorgang in etwas negatives umgedeutet. Autos können es für diesen Mann einfach nicht richtig machen.

Also, wenn es die Behinderten sind, der Lieferverkehr, das Handwerk und dergleichen, die werden auch in Zukunft meiner Ansicht nach mit dem Auto unterwegs sein müssen, egal, wie es angetrieben wird.

Wenigstens lässt Herman Knoflacher etwas Vernunft durchblicken.

Aber die sind ja als Dienst am Menschen und als Dienst der Gesellschaft unterwegs, aber nicht sozusagen aus Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit.

Schon sind wir wieder bei der Unvernunft. Wer legt denn fest, welche Fahrten „als Dienst am Menschen und als Dienst der Gesellschaft“ gelten und welche nicht? Gilt die Belieferung von Zigarettenautomaten als Dienst an der Gesellschaft?

Handwerker, die Luxussanierungen durchführen, mit denen der Charakter des Kiez geändert wird, dienen die den Menschen?

Was ist mit Taxis? Wenn die weiterhin erlaubt sind, bevorzugt das knoflachersche Zwangssystem dann nicht reiche Menschen? Die könnten es sich leisten, praktisch für jede Strecke ein Taxi zu nehmen.

Letztlich treffen die Beschränkungen, die Herman Knoflacher den Menschen auferlegen möchte, zuerst die Mittelschicht. Arme Menschen können sich schon heute nur selten ein Auto leisten und reiche Menschen finden immer einen Weg an unangenehmen Einschränkungen vorbei zu kommen.

Und wer beurteilt denn „Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit“? Ich kann diese Lust an Verboten und Einschränkungen vermeintlicher Weltverbesserer nicht verstehen. Warum müssen wir „Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit“ unbedingt aus den Menschen ausmerzen?

Da darf ich noch etwas dazu sagen: Ungefähr 85 bis 90 Prozent der Autofahrten dienen nicht dem Lastentransport. Es sind ja nur acht bis zehn Prozent der Autofahrten, der Pkw, die mehr Lasten transportieren als ein Fußgänger, Radfahrer oder Benutzer des öffentlichen Verkehrs transportiert.

So ein Scheinargument. Autofahren ist ja nicht nur praktischer als beispielsweise Radfahren, wenn man Lasten transportieren möchte. Es ist schlicht schneller und man wird bei Regen nicht nass.

Deutschlandfunk Kultur: Nun wissen wir alle, dass es Situationen gibt, in denen es nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv tatsächlich Wege gibt, wo es wesentlich schneller und einfacher geht mit dem Auto als mit dem Öffentlichen Nahverkehr, weil es möglicherweise gar keinen Öffentlichen Nahverkehr gibt oder der dann so schlecht ausgebaut ist, dass ich zwei Stunden unterwegs bin statt einer halben mit dem Auto.

Immerhin kommt auch bei Susanne Führer die Erkenntnis durch, dass nicht alle Autofahrer gestörte Psychopaten sind. Sie räumt ein, dass es objektive Gründe für das Autofahren gibt.

Damit sind alle Aussagen im Interview hinfällig, das scheint ihr aber nicht aufzufallen.

Auch deswegen wird ja immer wieder gefordert, man müsste unbedingt den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen.

Egal wie stark man den öffentlichen Nahverkehr ausbaut, es wird immer geografische und zeitliche Lücken in der Versorgung geben. Das Auto und andere Formen des Individualverkehrs werden immer ihre Berechtigung haben.

Offen bleibt auch die Frage, wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs finanziert werden soll. Schon heute arbeitet er nicht kostendeckend. Wird er auch noch auf wenig frequentierte Bereiche ausgeweitet – die natürlich nicht wirtschaftlich betrieben werden können – wird er noch viel teurer.

Der Deutschlandfunkartikel ist weniger ein Interview als vielmehr Träumerei zweier Menschen von Verboten, Gängelung und Geldverteilung. Die Perspektive der Gegängelten und der Leistungsträger, die das Geld zum Verteilen erwirtschaften sollen, kommt nicht vor.

Für mich ist das typisch für den heutigen Journalismus und die heutige Wissenschaft. Natürlich muss man die negativen Auswirkungen des Individualverkehrs betrachten. Aber man kann doch nicht vollständig den Blick von den notwendigen und positiven Seiten abwenden!

Wir befinden uns in einer Situation, die in jeder Hinsicht immer besser wird. Die Luft ist viel sauberer als früher. Die Anzahl der Verkehrstoten ist seit Anfang der 1970er Jahre von deutlich über 20.000 Verkehrstoten auf heute 3.214 im Jahr gesunken. Viele Straßen und Innenstädte sind fußgängerfreundlicher geworden.

Das Problem, was Herman Knoflacher beschreibt, wird also immer kleiner. Ist jetzt also wirklich der richtige Zeitpunkt, mit dogmatischen Verboten durchzugreifen?

Mir scheint, der inzwischen 77-jährige emeritierte Professor steckt mit seiner Ideologie im letzten Jahrhundert fest und der Deutschlandfunk ist dumm genug, dem Wichtigtuer auch noch eine Plattform zu bieten.

3 Kommentare zu „Autofahrer sind keine Menschen – da sind sich der Deutschlandfunk und ein radikaler Autogegner einig“

  1. Man sollte hochbezahlten Sonderlingen erst ihre Ideen am eigenen Leibe zu schmecken geben, bevor man ihnen erlaubt, diese auf die Menschheit loszulassen.
    Leider entspricht der propagierte Wahn dem Fahrplan der Neueweltordnungsfetischisten, die sich eine entindividualisierte, entrechtete , und nicht zu gebildete Masse vorstellen, die aus der Natur komplett herauszuhalten ist und eine kleine Elite, die das alles geniessen darf.

    Gefällt 1 Person

  2. Der Knoflacher irrt mit seiner Meinung, wenn er sagt „Autofahrer sind keine Menschen“. Hätten wir die Bibel verstanden, dann wüssten wir, dass es bis dato überhaupt keine Menschen gibt, sondern nur Tiere die in absehbarer Zeit durch Evolutionsabschluss zum Menschen werden (vielleicht?).

    Like

Hinterlasse einen Kommentar