Ideologie fressen Journalismus auf

Der Deutschlandfunk-Journalist Tobias Armbrüster interviewt Rüdiger Baunemann, einen Lobbyisten der Verpackungsindustrie.

Tobias Armbrüster: Seit gestern wissen wir: Kleine Plastikpartikel schaffen es bis in den menschlichen Körper. Forscher in Wien haben Mikroplastik im Darm von mehreren Versuchspersonen gefunden.

Alarm! Katastrophe! Kleine Plastikpartikel schaffen es bis in den menschlichen Körper!

Wer jetzt erwartet, dass Tobias Armbrüster auf die schrecklichen Gefahren hinweist, die von kleinen Plastikpartikeln ausgehen, wird enttäuscht. Es ist nur Alarmismus, den wir „seit gestern wissen“, ohne Fakten zu den tatsächlichen Risiken.

Diese Studie passt ganz gut zu einer Abstimmung, die heute im Europaparlament in Straßburg ansteht. Da geht es nämlich um die steigenden Plastikabfälle und um ein Verbot von vielen Wegwerfprodukten.

Statt „passt ganz gut“ könnte man auch sagen, dass Tobias Armbrüster das Interview über die Abstimmung im Europaparlament mit einer Angst einflößenden Neuigkeit einleitet, statt neutral zu berichten.

Die Studie mit den angeblich ganz neuen Erkenntnissen hat nichts mit der Abstimmung zu tun, die bereits früher auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass die Erwähnung der Studie nur dazu dient, den Rahmen für das folgende Interview zu schaffen.

Schaut man sich die Ergebnisse der Studie an, sieht es eher harmlos aus: Bei acht von acht Probanden wurden Kunststoffpartikel im Stuhl nachgewiesen. Die Autoren vermuten, dass dies bei mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung der Fall sein könnte.

Realistisch betrachtet scheinen die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Plastikpartikel also begrenzt zu sein: Trotz möglicherweise drei Milliarden betroffener Menschen steigt die Lebenserwartung immer weiter an.

Nicht einmal der BUND kann von Umweltauswirkungen von Mikroplastik berichten. Er würde gern nach dem Vorsorgeprinzip den Eintrag von Kunststoffen der Kosmetikindustrie verhindern.

Trotzdem steigt Tobias  Armbrüster aggressiv in das Interview ein:

Armbrüster: Das sieht nicht gut aus für Ihre Branche, oder?

Der vom Journalisten feindselig eingeleitete und aggressiv angesprochene Lobbyist verfällt in eine Verteidigungshaltung. Rüdiger Baunemann meint erwähnen zu müssen, dass natürlich auch seine Industrie nicht vorsätzlich die Umwelt verschmutzen möchte. Er betont, dass Kunststoffe nützlich sind und dass man „verantwortungsvoll“ damit umgehen muss.

Es ist bitter, dass dies notwendig ist – die Einleitung durch Tobias Armbrüster belegt es. Emotionalisierte Medien mit kindlichen Freund-Feind-Schemata machen es nötig, solche Selbstverständlichkeiten zu erwähnen.

Armbrüster: Warum tut sich denn Ihre Industrie so schwer damit, selbst eine Lösung zu finden?

Tobias Armbrüster schaltet einen Gang höher. Ohne jeden Zusammenhang wirft er Rüdiger Baunemann irgendetwas vor. Es ist nur nicht klar was. Er erwähnt nicht, für welches Problem die Industrie eine Lösung finden soll. Sie tut sich schwer!

Rüdiger Baunemann scheint sich mit unbegründeten und unsachlichen Anschuldigungen auszukennen, er reagiert besonnen.

Baunemann: Wir tun uns ja gar nicht schwer. Schauen Sie doch mal, was wir in Deutschland alles schon erreicht haben. Wir haben vor 25 Jahren mit dem Verpackungsmüll-Recycling angefangen. Damals ist alles auf die Deponien gekommen. Mittlerweile wird der Kunststoff weitgehend komplett verwertet. Wir haben sehr gute Beispiele, wo das funktioniert. Nehmen sie die PET-Flasche, die jeder in der Hand hat. Die wird mittlerweile fast komplett recycelt und wieder eine neue PET-Flasche daraus gemacht. Es gibt viele gute Beispiele.

Der Lobbyist versucht verzweifelt eine sachliche Basis für das Interview zu finden. Er weist auf die positive Entwicklung hin. Er nennt Beispiele bei denen die Wiederverwendung von Kunststoffen gut funktioniert.

Armbrüster: Herr Baunemann, trotzdem nehmen die Plastikmüllberge zu. Warum ist das so? Warum kommen wir da nicht von runter?

Tobias Armbrüster schaltet einen weiteren Gang auf der Absurditätsskala höher. Von welchen Plastikmüllbergen redet der Mann? Ich habe in letzter Zeit keine gesehen. Ich habe auch keine Nachrichten über die furchtbaren Plastikmüllberge in Deutschland bemerkt.

Mit völlig aus der Luft gegriffenen Behauptungen und inquisitorischen Fragen wird Rüdiger Baunemann unter Druck gesetzt.

Baunemann: Die Müllberge nehmen nicht zu.

Der Lobbyist bleibt sachlich. Er versucht weiterhin den Inquisitor auf den sachlichen Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Kunststoff wird weiter eingesetzt, weil es wirklich ein sehr funktionales und vielseitiges Material ist.

Rüdiger Baunemann muss ganz vorne anfangen: Es gibt eine Nachfrage nach Kunststoff, weil man es gut einsetzen kann. Er versucht es dem Journalisten wie einem Kind zu erklären: Kunststoff wird nicht zum Spaß eingesetzt oder um die Umwelt zu zerstören, sondern weil es einen Zweck hat und Probleme löst, die sich anderweitig nicht oder schlechter lösen lassen.

Aber wir verpacken über 60 Prozent der entsprechenden Lebensmittel darin. Das ist einfach, weil es funktional einfach und sicher ist, die Lebensmittel zu schützen mit Kunststoff-Verpackungen.

Kunststoff-Verpackungen schützen Lebensmittel. Ohne Kunststoff-Verpackungen gibt es mehr weggeworfene Lebensmittel.

Wir müssen nur damit richtig umgehen, wenn wir die Verpackung nicht mehr brauchen, und das ist das Problem, was in Europa besteht. Wir haben in Deutschland viel erreicht; in Europa haben wir da noch Hausaufgaben zu tun. Und wenn wir über andere Regionen dieser Welt reden, da ist echt noch Handlungsbedarf. Das muss man zugeben.

Hier macht der Lobbyist einen taktischen Fehler: Indem er die Situation in Europa und der Welt in ein schlechtes Licht rückt, macht er macht die Tür für weitere emotionale Ausfälle des Journalisten auf. Statt dass Tobias Armbrüster Probleme belegen müsste, räumt Rüdiger Baunemann selbst welche ein – außerhalb seines Einflussgebietes.

Armbrüster: Warum kriegen Sie das nicht hin, dass zumindest in Deutschland diese Gefahr nicht mehr so drastisch anwächst, zum Beispiel durch Kunststoff-Partikel – wir haben es eben gehört –, die sich im menschlichen Körper wiederfinden – diese Studie, die wir gestern hatten? Wir finden immer mehr Kunststoff-Mikroteile im Boden, es verteilt sich überall. Warum kriegt Ihre Industrie das nicht hin, das zu ändern?

Tobias Armbrüster ist im kindlichen Gut-Böse-Denken gefangen. Er halluziniert – ohne jeden Beleg – eine „Gefahr“ herbei, die „drastisch anwächst“. Kunststoff-Partikel im menschlichen Körper sind für ihn nur ein Beispiel dieser drastischen Gefahr.

Die Schuld für diese angebliche Misere sieht er nur bei der Industrie. Wie ein Kind sieht er die Verantwortung nicht bei den Verursachern, also Menschen die Kunststoffmüll nicht entsorgen sondern in die Umwelt einbringen.

Ist die chemische Industrie schuld daran, dass manche Menschen Motoröl in den Boden gelangen lassen, statt es fachgerecht zu entsorgen? Wie ist das mit alten Batterien? Oder mit Mobiltelefonen? Warum sollten die Hersteller von Produkten dafür verantwortlich sein, dass sich manche Menschen nicht an die Regeln halten?

Baunemann: […] Das andere: Es ist schwierig für einen Industrievertreter zu sagen, wir müssen den Verbraucher auch mitnehmen, denn der ist derjenige, der seinen Becher wegwirft oder den Strohhalm einfach in die Umwelt schmeißt. Das ist unpopulär!

Lobbyist Baunemann versucht erneut, den Aktivisten Armbrüster zu einer sachlichen Diskussion zu bewegen. Aber das ist völlig aussichtslos:

Armbrüster: Herr Baunemann, ich will es dann mal ganz einfach fragen. Warum brauchen wir überhaupt noch Gemüse und Obst im Supermarkt in aufwendigen Plastikverpackungen?

Bei dieser Inquisition steht die Schuld vorher fest. Die Kunststoff-Industrie muss sich verantworten.

Baunemann: […]  Das ist ein funktionaler Aspekt unseres modernen Konsumverhaltens. Wir kaufen einmal die Woche ein. Und gehen Sie mal in den Supermarkt: Dass jeder jede Paprika in der Hand hat und wieder hinlegt, ist auch nicht zielführend.

Das Spiel beginnt von vorn. Auf die absurden und unsachlichen Vorwürfe reagiert Lobbyist Baunemann mit Erklärungen wie für Kinder.

Lieber Tobias Armbrüster, kaufst du eigentlich moralisch einwandfrei? Ohne Kunststoffverpackung? Und kaufst du auch das ungeschützte und deshalb angeschlagene Obst, das sonst keiner mehr haben möchte?

Armbrüster: Das heißt, da bieten Sie nur an, was sowieso nachgefragt wird?

Ja, Tobias. Das nennt sich Marktwirtschaft. Und wenn du kunststofffreie Produkte nachfragst, bekommst du auch das.

Baunemann: […] Gucken Sie, dieses unsägliche Beispiel des To-Go-Bechers für den Kaffee oder der Plastiktüte. Das ist kein Produkt, wo wir jetzt sagen würden, da hängt die Kunststoff-Industrie in ihrer wirtschaftlichen Stabilität von ab. Aber es wird momentan gebraucht. Und das Entscheidende ist wirklich noch mal, wie wir damit umgehen.

Auch diese Antwort des Lobbyisten halte ich für taktisch falsch. Er sitzt sowieso schon auf der Anklagebank. Es ist kontraproduktiv, dass er seine eigene Produktpalette angreift. Die Konsumenten fragen das Produkt aus ganz unterschiedlichen Gründen nach. Es ist arrogant, das moralisch zu werten.

Solange Einwegbecher ordnungsgemäß entsorgt werden verursachen sie keine Probleme. Und ob der ökologische Fußabdruck eines Mehrwegproduktes tatsächlich besser ist, stelle ich mal in Frage. Papiertüten sind jedenfalls nicht umweltfreundlicher als Kunststofftüten.

Mehrwegprodukte wiegen mehr, der Transport kostet also mehr Energie, der Rücktransport kommt hinzu. Die Reinigung kostet ebenfalls Energie und Wasser.

Man müsste diese Diskussion sachlich führen, mit deutschen Journalisten scheint dies aber nicht möglich zu sein.

Armbrüster: Aber sitzen jetzt nicht in Ihren Mitgliedsunternehmen auch Menschen in den Chefsesseln, die sich zum Beispiel bei diesem Thema Kunststoffbecher oder Wegwerfbecher fragen, muss das tatsächlich sein, oder sollten wir da nicht lieber den Leuten mal was anderes anbieten, etwas was möglicherweise auch verantwortungsvoller mit unserer Umwelt umgeht?

Warum weiß Tobias Armbrüster nicht, dass es Mehrwegbecher gibt, viele Menschen sie aber nicht nutzen? Und warum sollte das die Schuld der Industrie sein?

Baunemann: Herr Armbrüster, das gibt es eigentlich, und diese Fragen stellen wir uns alle auch. Ich bin auch Verbraucher und überlege mir, muss ich jetzt jedes umverpackte und überverpackte Produkt kaufen. Aber ich kann auch den Coffee-to-go-Becher problemlos in einem Mehrwegbecher verwerten. Die gibt es auch aus Kunststoff. Sie kriegen mittlerweile sogar am Bahnhof oder am Flughafen einen Rabatt auf Ihren Kaffee, wenn Sie Ihren eigenen Becher mitbringen. Da gibt es Lösungen und das bietet sich auch in weiterer Hinsicht an.

Rüdiger Baunemann belehrt den Aktivisten erneut. Er zählt Selbstverständlichkeiten auf, die in Tobias Armbrüsters kindlichem Weltbild nicht vorzukommen scheinen. 

Würden alle Verbraucher Mehrwegbecher verwenden, gäbe es morgen keine Einwegbecher mehr. Die Macht erwachsener Menschen, Tobias

Armbrüster: Um noch mal bei diesem Wegwerfbecher zu bleiben. Das ist tatsächlich dann eher eine Nachfragegeschichte, sagen Sie? Das wollen die Menschen und deshalb wird das angeboten. Sie könnten auch auf wiederverwertbare Becher zurückgreifen?

An dieser Stelle tut mir Rüdiger Baunemann einfach nur noch leid. Es ist, als müsste er einem Vierjährigen die Welt erklären. Ja, Tobias, stell dir vor: Wenn es keiner nachfragt, wird es auch nicht produziert. Was ist da nur los beim Deutschlandfunk?

Armbrüster: Sie werden nach wie vor massenweise angeboten und auch massenweise weggeworfen.

Rüdiger Baunemann kann nicht gewinnen. Wo liegt das Problem, wenn Einwegbecher „massenweise weggeworfen“ werden, solange das der Mülleimer ist? Tobias Armbrüster vermischt Müllberge, Plastik im Meer und ordnungsgemäße Entsorgung. Er hält beliebige Stöckchen als Anklagepunkte hin und Rüdiger Baunemann muss darüber springen.

Baunemann: Das ist natürlich auch – und auch das ist unpopulär – die Bequemlichkeit von uns als Verbrauchern. Es ist einfach schnell mal so ein Ding zu kaufen und ihn dann einfach am Bahnhof auch wieder in die Mülltonne zu werfen, anstelle ihn mit heimzunehmen oder ins Büro, um ihn zu spülen.

Lobbyist Baunemann verteidigt sich auch gegen die ordentliche Entsorgung der Produkte der Industrie, die er vertritt. Er schlägt konkrete Maßnahmen vor, mit denen Verbraucher mutmaßlich die Umwelt schützen können. Inwieweit das Spülen mit heißem Wasser energetisch sinnvoller als eine Entsorgung und ein Neukauf sind lasse ich mal dahingestellt.

Aber konkrete Maßnahmen, die mündige Verbraucher eigenverantwortlich umsetzen, sind nichts für Tobias Armbrüster:

Armbrüster: Das ist jetzt wieder der alt bekannte Einwurf, das alt bekannte Argument. Wenn die Verbraucher das ändern würden, dann würde alles besser werden.

Der Tiefpunkt des Interviews ist erreicht. Aktivist Armbrüster lehnt ein legitimes und sachliches Argument mit dem Hinweis ab, dass es „alt“ sei. Gleichzeitig lehnt er die Grundzüge der Marktwirtschaft ab, indem er in Frage stellt, dass die Verbraucher mit ihren Kaufentscheidungen eigenverantwortliche Teilnehmer am Markt sind.

Kleiner Tipp, Tobias: Die einzigen die Geld in den Markt einbringen sind die Verbraucher. Das passiert manchmal indirekt, weil viele Zwischenerzeuger in einer langen Kette hintereinander kommen. Aber am Ende der Kette stehen immer die Verbraucher mit ihren Konsumentscheidungen.

Rüdiger Baunemann versucht noch einmal verzweifelt einen rationalen Kern beim Journalisten anzusprechen. Verpackungen erfüllen einen Zweck, sonst gäbe es sie nicht. Aber sein Gegenüber scheint gar nicht zuzuhören. Er wechselt einfach das Thema.

Armbrüster: Da haben wir jetzt über die Wegwerfprodukte gesprochen. Ein anderes Thema ist natürlich das Recycling. […] Auch da wieder die Frage: Warum sind Ihre Unternehmen da nicht schon viel früher selbst drauf gekommen, dass man Plastikverpackungen nicht so kompliziert machen soll, dass man sie hinterher nicht wieder auseinandernehmen kann, sondern dass man es möglichst einfach macht, damit man möglichst viel von diesen Verpackungen wiederverwerten kann?

In der kindlichen Aktivistenwelt Tobias Armbrüsters stellt die böse Industrie Plastikverpackungen grundlos kompliziert her, so dass man sie schlecht wiederverwerten kann.

In der realen marktwirtschaftlichen Welt liegt das an den Anforderungen, die die Kunden an die Verpackungen stellen. Rüdiger Baunemann ist bemüht, dies in einfachen Worten zu erläutern:

Baunemann: Wir haben uns vielleicht lange und vielleicht auch zu lange darauf konzentriert, wirklich Verpackungen als Hochleistungsprodukt anzubieten. Wenn ich eine Fleisch- oder eine Wurstverpackung habe, die muss sauerstoffstabil sein. Da darf es keinen Sauerstoff geben. Dann muss ich die Verpackung entsprechend ausrichten. Dann brauche ich unterschiedliche Kunststoff-Folien, die miteinander verklebt sind, um das sicherzustellen, und diese Anwendungen sind mittlerweile sehr schwer zu recyceln.

Verpackungen haben eine Funktion, Tobias. Dank Verpackungen sind Lebensmittel länger haltbar, Tobias. Damit werden weniger Lebensmittel weggeworfen, Tobias.

Gerade erst hat er das Thema gewechselt, weil sein simples Weltbild in Frage gestellt wurde. Da dies erneut der Fall ist, wechselt Tobias Armbrüster wieder das Thema.

Die Themen werden von Tobias Armbrüster nicht inhaltlich beleuchtet, damit der Zuhörer weitreichend, sachlich und aus mehreren Blickwinkeln informiert wird. Er wechselt einfach das Thema, sobald seine Anklage auseinanderfällt.

Armbrüster: Wieso braucht es dazu jetzt das EU-Parlament, um das rauszufinden und um das zu verordnen? Darauf hätten Sie ja auch selbst kommen können.

Das ist eine politische Frage. Vielleicht hat Rüdiger Baunemann dazu eine andere Meinung als die Verbotsideologen im Europaparlament?

Warum fragt Tobias Armbrüster nicht, was diese Vorgaben den Verbraucher kosten werden? Wäre nicht der Lobbyist der Kunststoff-Industrie der richtige Ansprechpartner für diese Frage?

Diese Frage liegt auf der Hand und sie betrifft die Zuhörer direkt, aber Tobias Armbrüster scheint eben kein Journalist sondern ein Aktivist zu sein und da passt die Frage nicht in die moralisierende Anklage.

Baunemann: Wir sind ja da dran. Es ist ja nicht so, dass unsere Branche nichts macht. Die Müllberge, die wir teilweise in den Meeren sehen, gehen auch an uns nicht spurlos vorüber. Ich war ein paar Mal in Asien die letzte Zeit; da dreht sich mir der Magen um als Kunststoffmensch, wenn ich da sehe, wie die Umwelt da aussieht mit Kunststoff-Verpackungen.

Oh, nein, Rüdiger! Das ist ein Fehler. Entschuldige dich niemals bei Ideologen! Das bringt dir keine Vorteile, du kannst sie nicht freundlich stimmen. Sie werden das nur nutzen um dich immer weiter vor sich her zu treiben.

Angriff

Statt kriecherisch Besserung zu geloben sollte Rüdiger Baunemann darauf hinweisen, dass die Verschmutzung der Meere nicht von Europa ausgeht. Er erwähnt das Problem in Asien. Warum erläutert er nicht, dass die Meere praktisch ausschließlich durch asiatische und afrikanische Flüsse mit Kunststoff verseucht werden?

Warum geht Rüdiger Baunemann nicht zum Angriff über und prangert das Europaparlament an, weil es die europäischen Verbraucher mit Verboten gängelt, obwohl sie gar nicht die Verursacher des Problems sind?

Egal wie sehr europäische Verbraucher Verzicht üben, es ändert an der Situation in anderen Teilen der Welt gar nichts. Und es sind die anderen Teile der Welt, die die Meere mit Kunststoffen verunreinigen.

Warum beschwert Rüdiger Baunemann sich nicht darüber, dass die EU wieder einmal sinnlose Maßnahmen ergreift, die das Problem nicht lösen aber die Freiheit der Menschen in der EU einschränkt?

Warum stellt er keinen Zusammenhang zwischen solchen sinnlosen EU-Gängeleien und dem Brexit her?

Warum weist er nicht auf die zu erwartenden steigenden Kosten von Lebensmitteln hin, die gerade die treffen werden, die am ehesten auf abgepacktes Fleisch angewiesen sind, nämlich einkommensschwache Haushalte?

Warum verurteilt er die Pläne dafür nicht moralisch und stellt sie als die Gängelei einer wohlhabenden, besserwisserischen Elite bloß, die sich das leisten kann aber keinen Kontakt mit der Lebenswirklichkeit normaler Menschen hat?

Warum sagt er nicht, dass auch er persönlich Einwegbecher nutzen möchte, falls er mal keinen Mehrwegbecher dabei hat? Warum behauptet er nicht, dass er damit sicher die Mehrheitsmeinung widerspiegelt?

Warum sagt er nicht, dass er sich und die Verbraucher dafür nicht moralisch verurteilen lässt und dass sich Tobias Armbrüster erstmal an seine eigene Nase fassen soll, wenn es um ökologisch korrektes Verhalten geht? Warum spitzt er die Sache nicht zu, indem er sagt: Wer unter euch Journalisten ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein?

Warum stellt Rüdiger Baunemann nicht klar, dass er Milch nicht wie früher wieder mit der unhygienischen Milchkanne holen gehen möchte, in der die Milch nach zwei Tagen schlecht ist? Warum stellt er die Vorteile moderner Verpackungen nicht an weiteren konkreten Beispielen heraus?

Warum spricht er Tobias Armbrüster nicht direkt an, ob er denn seine Milch gerne wieder in der Blechkanne kaufen möchte? Seinen Ketchup im Einweckglas, seine Zahncreme in der Papiertüte, sein Shampoo in der Glasflasche? Verzichtet Tobias Armbrüster auf Papiertaschentücher?

Warum beschwert Rüdiger Baunemann sich nicht darüber, dass er sich zukünftig für eine Gartenparty einmal im Jahr keine zusätzlichen Becher, Teller und Besteck mehr kaufen kann? Warum verurteilt er das nicht als Gängelung und Bevormundung aller Verbraucher?

Mit seiner apologetischen Strategie heizt Rüdiger Baunemann die irrationale und fortschrittsfeindliche Hetzjagd auf moderne Technologie nur weiter an.

Okö-Ideologen sind Anhänger von Verboten und Gängelei. Es ist unmöglich sie zu beschwichtigen. Es geht ja nicht nur um Verpackungen oder Kunststoffe, sondern um moderne Technologie ganz im Allgemeinen.

Rüdiger Baunemann betont, dass es beim Recycling schon viele Fortschritte gegeben hat. Weiß er nicht, dass es für Öko-Ideologen nie genug ist? Ab welcher Recycling-Quote wären die denn zufrieden? Erkennt Rüdiger Baunemann nicht, dass diese Zufriedenheit niemals eintritt?

Selbst bei 100 Prozent Recycling-Quote in Deutschland würde Tobias Armbrüster ihm immer noch die Situation in anderen Teilen der Welt vorhalten und das Konzept von Einwegverpackungen generell in Frage stellen.

Ein Lobbyist der Kunststoffindustrie sollte deutlich auf den Gegensatz zwischen naiver Öko-Traumwelt und realer Lebenssituation der Menschen hinweisen, die schlicht nicht in jeder Situation einen Mehrwegbecher dabei haben. Er muss die Vorteile des technologischen Fortschritts betonen.

Tobias Armbrüster schwingt sich zum Moralapostel über die Kunststoffindustrie auf, lehnt aber die persönliche Verantwortung der Verbraucher ab.

Das muss Rüdiger Baunemann bloßstellen. Stattdessen versucht er die ewig Empörten zu besänftigen. Ein sinnloser Versuch, der der von ihm vertreten Industrie und den Verbrauchern schaden wird.

Fazit

Tobias Armbrüster ist für mich ein weiteres Beispiel dafür, was mit dem Journalismus in Deutschland nicht stimmt. Sein Ziel ist nicht, seinen Zuhörern aus unterschiedlichen Blickwinkeln ein differenziertes Bild zu zeigen.

Nein, Tobias Armbrüster macht sich die vermeintlich gute Sache (den Umweltschutz) zu eigen und übernimmt im Gespräch die Position eines radikalen Umweltaktivisten. Immer wenn einer seiner alarmistischen Aussagen ein Sachargument entgegnet wird, springt er zum nächsten Thema, statt sich mit dem Argument auseinanderzusetzen oder zumindest nachzufragen.

Der Blickwinkel der Kunststoffindustrie bekommt im Interview – trotz der Anwesenheit des Lobbyisten – nur wenig Raum, weil der Vertreter der radikalen Umweltschützer mit der Macht des Moderatoren ausgestattet ist. Fragen nach den Auswirkungen auf die Verpackungsindustrie im europäischen und internationalen Wettbewerb stellt Tobias Armbrüster erst gar nicht.

Hier schwingt sich jemand zum Moralapostel auf und betreibt Meinungsmache. Diese Art des Interviews gilt beim Deutschlandfunk vermutlich als kritische Berichterstattung.

Die Sicht der Verbraucher oder der mehr als 100.000 Beschäftigten der Verpackungsindustrie in Deutschland kommen nicht vor. Wir erfahren nichts darüber, welche Auswirkungen die Beschlüsse des Europaparlaments auf sie haben werden oder was sie selbst darüber denken.

Ein Journalist würde Fragen in diese Richtung stellen. Tobias Armbrüster tut das nicht. Dieses wirre, aktivistische Verhör ist eine weitere journalistische Glanzleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Ideologie fressen Journalismus auf.

3 Kommentare zu „Ideologie fressen Journalismus auf“

  1. Schöne Analyse.

    Insbesondere am Beispiel der verrufenen Plastiktüte lässt sich schön vorrechnen, dass sie eigentlich die umweltfreundlichste Option ist.

    Die Herstellung einer Papiertüte erfordert einen so hohen Wasser- und Energiebedarf, dass man sie mindestens 3 mal nutzen müsste um auf eine vergleichbare Ökobilanz zu kommen. Stofftaschen müssten sogar rund 80 mal genutzt werden.
    Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/umweltschutz-bienenschuetzer-plastikhasser-oeko-narren-15859698.html

    Und jetzt kommt der große Knaller. Auch Plastiktüten kann man oft 2 oder 3 mal für Einkäufe benutzen, bevor sie nicht mehr geeignet sind. Und danach können sie zusätzlich als Müllbeutel verbraucht werden und extra gekaufte zu ersetzen.

    Bedenkt man noch, dass in Verbrennungskraftwerken oft Öl hinzugegeben wird, da der sortierte Restmüll sonst einfach nicht brennen würde, weil kaum noch Kunststoff im Restmüll zu finden ist wird der ganze Aktionismus erst richtig absurd.

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  2. […]Fragen nach den Auswirkungen auf die Verpackungsindustrie im europäischen und internationalen Wettbewerb stellt Tobias Armbrüster erst gar nicht.[…]
    Haette er das getan, waere der Lobbyist eher in Bedraengnis geraten. Der Lobbyist arbeitet fuer die 2-3 marktbeherrschenden Verpackungshersteller. Mit einer von denen gesteuerten EU-Regelung haben diese erhebliche Vorteile, weil sie es schon frueh genug wissen, weil sie ihren bestehenden Maschinenpark dafuer weiter einsetzen koennen, weil sie wissen was den Kleineren mehr schadet als den Markfuehrern, usw.. Umweltschutz ist dem Lobbyisten schnurz, der will mehr Verpackungen verkaufen (bzw. seine Auftraggeber), ggf. auch an Importeure von Waren in die EU. Deshalb sind dem totalitaere EU-Regelungen ganz recht.

    Der „Journalist“ ist dumm wie Hulle – ein dumm-gruener Ideologe – und spielt dem Lobbyisten in die Hand. Die Verpacker koennen jetzt den „Porsche“ der Verpackungen verkaufen, anstatt nur den „Golf“, bei annaehernd gleichen Stueckzahlen, und gestiegener Marge.

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