Sollen Arme doch den FlixBus nehmen

Bei Spiegel Online bin ich auf eine Kolumne von Georg Diez gestoßen.

Wenn ein Flug von Berlin nach Köln 15 Euro kostet und eine Fahrt mit der Bahn 120, dann läuft etwas grundsätzlich falsch.

Für die Fahrt von Berlin nach Köln habe ich bei der Bahn Angebote ab 25,90 Euro gefunden. Georg Diez‘ Kolumne beginnt schon so richtig gut. Ganz offensichtlich vergleicht er in der Überschrift Äpfel mit Birnen, nämlich das begrenzte Kontingent eines Sonderangebotes eines Billigfliegers mit dem regulären Preis der Bahn.

Und es wird nicht besser. Die Kolumne startet mit der herablassenden Beschreibung von Nutzern von Billigfliegern, die konsterniert sind, dass ihr Mallorca-Flug ausgefallen ist. Der hätte doch nur 73 Euro gekostet, lässt Georg Diez seine Leser hämisch wissen.

So als könnten die Nutzer, die ein Ticket zu diesem Preis kaufen, nichts anderes erwarten. Ist Georg Diez das Prinzip der Mischkalkulation nicht bekannt?

Es gibt, so war die Erfahrung der vergangenen Jahre, eine Art Menschenrecht auf absurd billiges Reisen,

Ganz offensichtlich kann man für eine Kolumne bei Spiegel-Online einfach irgendetwas fabulieren: Wer behauptet oder impliziert, dass es ein Menschenrecht auf billiges Reisen gäbe?

Ich habe zunächst angenommen, dass das witzig gemeint sein soll. Georg Diez macht aber sofort klar, dass das genauso moralinsauer gemeint ist, wie es klingt:

jedenfalls für die Bewohner der westlichen Welt, die im Besitz eines gültigen Passes sind. Ignoriert wurden die, die im Mittelmeer ertranken, weil sie nicht fliegen durften. Ignoriert wurde auch, dass die Billigflüge ein ökologisches Desaster sind.

Georg Diez ist – da bin ich sicher – über jeden Zweifel erhaben. Er ist sicher noch nie mit einem Billigflieger geflogen. Wenn es um moralische Reinheit geht, da fällt mir Georgs Name zuerst ein.

Sicher spendet Georg Diez jeden Cent, den er sich vom Munde absparen muss, für Flüchtlinge und den Umweltschutz. Er fährt nie in Urlaub, wohnt auf 10 Quadratmetern, besitzt kein Auto und isst nur das Brot vom Vortag. Alles wird gespendet.

So muss es sein, sonst wären Georg Diez‘ Sätze Heuchelei.

Wenn ein Flug von Berlin nach Köln mit einer Billigfluglinie etwa 15 Euro kostet und eine Fahrt mit der Bahn 120 Euro, dann läuft etwas grundsätzlich falsch.

Nein, Georg, mit deiner Rechnung läuft etwas grundsätzlich falsch. Du nutzt falsche Zahlen um politische Forderungen zu begründen. Das ist unehrlich.

Der Markt versagt hier als Instanz, das Richtige zu tun

Dem Markt ist völlig egal, was für dich „das Richtige“ ist. Vor allem aber, lieber Georg, rechnet „der Markt“ richtig – im Gegensatz zu dir.

der Staat muss eingreifen, um eine vernünftige Ordnung herzustellen.

Natürlich, Georg. Fliegen muss endlich wieder nur für Reiche finanzierbar sein. Sollen Arme doch den FlixBus nehmen. Das ist eine „vernünftige Ordnung“.

Beim Fliegen zeigen sich besonders nackt die Pathologien des gegenwärtigen Kapitalismus.

Ja, dieser „gegenwärtige“ Kapitalismus. Georg Diez scheint sich das als überwindbares Phänomen zu wünschen.

Lieber Georg, ich empfehle dir in ein nicht-kapitalistisches Land zu ziehen. Deine Berichte von dort würden hier sicher viele davon überzeugen dieses Wirtschaftssystem endlich zu überwinden.

Die Anmaßung und Aggression des Konsumismus sind wohl nirgendwo deutlicher zu besichtigen als auf den Flughäfen dieser Welt, wo die Bedingungen von Angebot und Nachfrage, Verlangen und Versuchung, Fetisch und Ware auf eine Art und Weise verdreht sind, die die Verdrehungen eines ermüdeten Kapitalismus abbilden, der kein Verhältnis mehr zum Außen hat, zur Welt, und nur noch auf den Selbsterhalt abzielt, koste es, was es wolle.

Kotz dich nur aus, Georg. Ich verstehe dich zwar nicht, aber das liegt sicher an mir. Die „Anmaßung und Aggression des Konsumismus“ hat mich fest im Griff.

„Angebot und Nachfrage, Verlangen und Versuchung, Fetisch und Ware“ – das war bei den Russen in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts noch viel besser. Die lebten noch im Einklang mit dem Hungergefühl der Natur, mit dem moralisch erhabenen Gefühl des Verzichts.

Georg, der Kapitalismus zielt nicht auf seinen Selbsterhalt ab. Es sind die Menschen mit ihren Konsumentscheidungen, die ihn antreiben.

Diesen Menschen werden Angebote gemacht und sie nehmen sie an. Freiwillig. „Der Kapitalismus“ besteht aus Menschen, nämlich den Anbietern und den Nachfragern.

Ich finde es feige von dir, dass du dich an einem Substantiv abarbeitest, statt mit deiner moralischen Überheblichkeit diese Menschen und ihre Entscheidungen anzugreifen. Rein verbal, versteht sich.

Mich würde auch interessieren, lieber Georg Diez, warum es gleich staatliche Eingriffe in die Entscheidungen anderer Menschen sein müssen. Wenn deine Argumente so überzeugend sind, warum versuchst du dann nicht andere Menschen zu überzeugen?

Und auch hier gilt: Wenn du von anderen Menschen Verhaltensänderungen erwartest, würde ich dies zunächst von dir erwarten. Verzichte du zunächst auf Konsum, aber natürlich an einer Stelle, die dir wehtut, nicht bei den Billigflügen nach Mallorca, über denen du zu stehen scheinst.

Also der vor allem ökologischen Konsequenzen des eigenen Verhaltens, des eigenen Lebensstils, der wesentlich dazu beiträgt, die Erde zu zerstören.

Natürlich ist es nur das Verhalten der anderen, das die Erde zerstört. Ganz klar Georg. Dein persönliches Verhalten ist sicher ökologisch rundweg einwandfrei. Verbraucht dein Körper CO2 und erzeugt Sauerstoff? Nicht weniger würde ich erwarten.

Georg Diez erbricht noch weitere Schwafelsätze in denen er seine Verachtung für Flughäfen ausdrückt.

Das Faszinierende – und auch das Ernüchternde – dabei ist, wie offen, öde und ideenlos der Konsum auf den Flughäfen dieser Welt überführt wird in ein Regiment des Kaufens.

Ja, Georg, ich verstehe schon: Weil es dir nicht gefällt ist es „öde und ideenlos.“

Bedenklich finde ich, dass Georgs Schilderung darauf hindeutet, dass auch er Flughäfen benutzt. Passt das mit seiner moralischen Überheblichkeit zusammen?

Verzichtet Georg Diez auf Billiglieger? Bucht er aus moralischen Gründen Business Class?

Wäre Georg Diez‘ Geld für die Tickets nicht bei hungernden somalischen Kindern besser angelegt?

Wäre es nicht Heuchelei, wenn sich Georg Diez öffentlich über die ökologischen Auswirkungen der anderen echauffiert, aber selbst in der Welt herum fliegt?

Ist es nicht genauso heuchlerisch sich über die Konsumtempel in den Flughäfen aufzuregen, aber trotzdem von ihnen zu profitieren? Schließlich basiert auch der Betrieb von Flughäfen auf einer Mischkalkulation, zu der die Konsumtempel ihren Teil beitragen.

Es folgt weiteres Geschwurbel. Der Bezug zum Eingangsthema, dass der Staat sich einmischen sollte, um eine „vernünftige Ordnung“ herzustellen, geht über mehrere Absätze völlig verloren.

Georg Diez hört sich offensichtlich gern reden, besonders wenn er andere Schwafler zitiert. Dabei mangelt es ihm am Verständnis schon der einfachsten Zusammenhänge.

Die Krise des Konsums und der damit verbundenen Versprechen zeigt sich gerade in seiner Allgegenwart. Es ist die Geste der Einschüchterung, mit der Warenwelten am Flughafen ausgebreitet werden, nicht zum Kaufen, sondern zum Schauen. Es ist eine andere Art von Unterwerfung, die hier gefordert wird vor den Fassaden eines ruinösen Kapitalismus.

Natürlich ist es nicht das Ziel der Konsumtempel in Flughäfen die Menschen zum Schauen statt zum Kaufen zu animieren. Niemand soll unterworfen werden. Die Menschen sollen Kaufen, denn nur das leistet einen Deckungsbeitrag für den Betrieb des Flughafens.

Denkt Georg Diez wirklich, die Ladenbetreiber an Flughäfen hätten sich verschworen, um potenzielle Kunden mit ihren Waren einzuschüchtern – nicht um zu verkaufen, sondern zum Schauen?

Einfachste Zusammenhänge, unverständlich für Georg Diez. Das Ziel der Betreiber ist möglichst viel Umsatz und Gewinn zu machen. Es gibt keine Verschwörung. Oder beweise ich gerade dadurch, dass ich die Verschwörung bestreite, ihre Existenz, Georg?

Denn was am Flughafen verschwindet, ist das Gefühl von Verantwortung, und das wirkt fast wie eine gesellschaftliche Verabredung zu Apathie in der Entropie, eine Verweigerung, sich den Konsequenzen des eigenen Tuns zu stellen, gegenseitige Absolution. Die Zerstörung, die das Verhalten anrichtet, wird gemeinsam ausgeblendet. Der Flughafen ist damit der Nullpunkt der Klimakatastrophe und des wankenden Kapitalismus, symbolisch wie real.

Georg Diez‘ Kolumne könnte damit enden, dass er selbst beginnt, sich den Konsequenzen seines eigenen Tuns zu stellen, indem er verkündet, nicht mehr zu fliegen. Er selbst könnte als Beispiel des Verzichts vorangehen. Er könnte versuchen andere zu animieren die „Klimakatastrophe“ durch Verzicht zu verhindern.

Aber nichts dergleichen ist das Resümee dieser Kolumne. Persönliche Verantwortung endet bei Georg Diez bei dem was er für richtig hält – bei anderen. Er nennt das „vernünftige Ordnung“ und meint damit Verbote und Einschränkungen für andere.

Gefragt ist aber eigentlich die Politik. Es ist eine der zentralen staatlichen Fragen der nahen Zukunft: Was soll die öffentliche Infrastruktur sein im 21. Jahrhundert, in einer digitalen Welt der Ortlosigkeit und Daueranwesenheit? Ist Fliegen überhaupt noch zeitgemäß?

Georg Diez scheint alle meine Vorurteile gegen Intellektuelle bestätigen zu wollen. Warum sollte denn ausgerechnet der Staat besser als die Menschen und die Wirtschaft wissen, was zeitgemäß ist?

Die Welt der Intellektuellen besteht aus Papier, das durch Druckerschwärze schwarz gefärbt wird. Sie leben in einer Welt der „Ortlosigkeit“. Eine „Daueranwesenheit“ ist ebenfalls nicht notwendig. Aber sie begreifen nichts von der realen Welt, der sie ihre armseligen Konzepte aufzwingen wollen.

Für sie zählt nur, dass der ortsfeste und daueranwesende Bäcker ihnen ihre Brötchen backt. Dass der diese Arbeit vielleicht nur macht, weil er sich dann einen Billigurlaub nach Mallorca leisten kann, kommt Möchtegern-Intellektuellen nicht in den Sinn.

Anders gesagt: Im Grunde sollten Flüge verboten werden, wenn die gleiche Strecke mit der Bahn in drei Stunden oder weniger machbar ist.

Auch hier schimmert wieder die Feigheit durch: Georg Diez hält sich den Rückzug offen. Kurze Flüge sollten nur „im Grunde“ verboten werden. Für die Drecksarbeit sind andere zuständig. Georg Diez fordert mit Hilfe manipulierter Zahlen Verbote, aber verantwortlich will er nicht sein.

Die wirtschaftlichen Zusammenhänge scheinen Georg Diez nicht klar zu sein. Gibt es weniger Flüge, bricht die Mischkalkulation der Fluggesellschaften und der Flughäfen zusammen. Alle Flüge würden teurer werden.

Vielleicht kann sich Georgs Bäcker dann keinen Flug mehr nach Mallorca leisten. Fliegen nur für Reiche ist ja ganz im Sinne ökologischer Moralapostel wie Georg Diez. Venezuela lebt Umweltschutz durch weniger Flüge erfolgreich vor, das sollte Ansporn für Deutschland sein!

Auch andere Fragen liegen auf der Hand: Was bedeutet es für die Reisezeiten, die Kosten und den Service, wenn Bahn und Fernbusse zukünftig in einem Markt ohne die Konkurrenz aus der Luft agieren?

Ist Georg Diez wirklich nicht klar, warum Planwirtschaft und Sozialismus nicht funktionieren, Marktwirtschaft und Kapitalismus aber schon?

Übrigens: Die kürzeste Verbindung der Bahn von Berlin nach Köln dauert mehr als vier Stunden. Der Flug über den sich Georg Diez zu Beginn seiner Kolumne echauffiert entspricht nicht seinem eigenen Verbotskriterium. Erbärmlich.

Fazit

Diese Kolumne steht für mich für alles, was im aktuellen Journalismus falsch läuft: Für das richtige Ziel ist alles erlaubt, da kann man auch mal Zahlen manipulieren. Es kann beliebig schwafelig geschrieben werden, Journalisten glauben wohl, dass würde ihnen einen intellektuellen Touch geben – dabei ist es nur peinlich.

Es werden beliebige Forderungen nach Verboten und staatlichen Eingriffen erhoben. Über die unerwünschten Nebeneffekte denkt man nicht mal eine Sekunde nach. Schließlich dient alles dem höherem Ziel.

Wichtig ist eine zur Schau gestellte moralische Überlegenheit, obwohl Erwartungen nur an andere gestellt werden. Die Pseudo-Moral ist wichtiger als rationale Argumente.

8 Kommentare zu „Sollen Arme doch den FlixBus nehmen“

  1. Hmm, warum greift der Staat nicht ein, wenn Flüge zu günstig sind?
    Georg, das ist eine hervorragende Idee, warum ist nur noch niemand darauf gekommen?
    – Schnitt-
    17 Sekunden Google Suche
    Der Staat hat bereits eingegriffen, weil Fliegen zu günstig ist. Nennt sich Luftverkehrsabgabe und sind 7,46 EUR bei einem Inlandflug.

    Diese Faktenbefreitheit von Journalisten ist echt beängstigend. Hätte er wenigstens für eine Erhöhung der Abgabe argumentiert, könnte man seinen Kampf für das reine Gute noch halbwegs nachvollziehen, aber er versucht mit einem Rammbock eine offene Tür einzureißen.

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  2. Dieser Schwätzer Diez ist der Prototyp der Zeitgenossen,mit denen ich keine Argumente mehr austausche.
    Ich frage dann nur noch:Wann zeigst Du „Skin In The Game“anstatt das Fell Anderer zu verteilen?
    Du solltest also schnell und nachhaltig für dein planetenfreundliches Frühableben mit ökologischer Resteverwertung sorgen.
    Oder die Fresse halten.

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  3. […]Das Faszinierende – und auch das Ernüchternde – dabei ist, wie offen, öde und ideenlos der Konsum auf den Flughäfen dieser Welt[…]
    Ja, Georg findet das Angebot jessidischer Sexsklavinnen auf den Flughaefen mangelhaft. Das kann ich nachvollziehen, denn wenn die schon in Frankfurt ankommen, dann koennte man sie doch dort gleich ins Angebot integrieren. Ich finde Georg sollte halt mit der Bahn nach Sueditalien fahren, mit einem Ruderboot nach Libyen uebersetzen und auf den dortigen Sklavenmaerkten direkt einkaufen gehen. Aber vielleicht will er ja – wegen Oekologie und so – dass die Sklavinnen gefaelligst nach Europa laufen oder schwimmen, um dann in Multi-Kulti-Berlin/Koeln/etc., direkt am Markt vor der Redaktion, erhaeltlich sind. Ich habe Georg’s Artikel jetzt nur mal so postmodern und faktenbefreit umgeschrieben, wie er das auch tut.

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  4. Im deutschen Journalismus in reicher Zahl zu findende, von keinem Realitätshauch beduftete Feuilletonsfürzchen wie Herr Diez (oder auch Margarete Stokowski) sind der Grund, warum ich das Lesen deutschsprachiger Zeitungen und Magazine -ausser fachbezogenen- weitestgehend eingestellt habe.

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  5. Einfach mal nach Dietz und Arxxloch googlen. So hat ihn mal ein Kollege indirekt tituliert – und er lag damit Meilen vor dieser Stokowski-Karrikatur namens Georg:

    „Seinen aktuellen Text über Menschen, die anders denken als er selbst, und die angeblich alternativlose Wahrheiten zu hinterfragen bereit sind (sollte eigentlich auch die Aufgabe von Journalisten sein), schließt er mit dem Urteil über diese Menschen: “Was für opportunistische Arschlöcher.” Fast ist man geneigt, spontan zu antworten: Was für ein hirnloser Vollpfosten.“


    https://denken-erwuenscht.com/herr-diez-und-die-opportunistischen-arschloecher/

    Was für ein Vollidiot in Gender-Bilderrahmen-Gedächtnisbrille!

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  6. Ich habe die Diskussion durch aufmerksames Podcast-Hören mitbekommen. Ja, es darf nicht sein, dass die Bahn teurer ist als das Flugzeug. Für mich liegt das Problem da aber eher bei der Bahn. Jeder der regelmäßig reist, weiß wie unzuverlässig, unflexibel und teuer die Bahn ist. Für mich wieder ein Beispiel für einen Wirtschaftssektor, der nicht hätte privatisiert werden dürfen. Ich finde es toll, dass ich auch als Normalverdiener überall Urlaub machen kann. Und ja, durchs viele Fliegen entstehen Umweltprobleme. Leider kenne auch ich nicht auf jede Frage eine Antwort, aber Georg kann ja auch einfach mit seinem teuren Ticket, meines kofinanzieren. Er hat ja offenbar genug Geld.

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