Gutmenschen töten Flüchtlinge

Fr.de berichtet über Menschen, die Flüchtlinge im Mittelmeer aufnehmen und an Land bringen.

Jugend rettet muss sich wie die vielen anderen zivilen Seenotretter derzeit gegen Vorwürfe wehren, dem Geschäft der Schlepper mit ihrer Präsenz im Mittelmeer in die Hände zu spielen. Die Vorwürfe kommen nicht nur aus deutschen Wohnzimmern, sondern von ganz offizieller Seite: Ende Februar kritisierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Rettungseinsätze der Hilfsorganisationen vor Libyen. […]

Die Geschäfte krimineller Netzwerke und Schlepper sollten nicht noch dadurch unterstützt werden, dass die Migranten immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen würden, hatte Frontex- Chef Fabrice Leggeri in einem Interview gesagt. Das führe dazu, dass Schleuser noch mehr Migranten auf die seeuntüchtigen Boote zwängen.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass sich diese Aussage festsetzt“, sagt Hans-Peter Buschheuer, Sprecher der Nichtregierungsorganisation Sea Eye. „Wir sind definitiv kein Taxi für Flüchtlinge.“

Könnte an der Kritik etwas dran sein? Locken die Geschichten von erfolgreichen Überfahrten und der Willkommenskultur der Retter etwa keine weiteren Flüchtlinge auf die gefährliche Reise?

Die Hypothese, die Arbeit der NGOs bringe noch mehr Menschen dazu, die Flucht nach Europa zu wagen, haben kürzlich Wissenschaftler der Universität Oxford und der UC Berkeley widerlegt. Sie errechneten, dass die Zahl der Ankünfte von Migranten in Europa zwischen 2014 und 2016 in der Zeit mit den wenigsten Such- und Rettungseinsätzen am höchsten war.

Sicherheitshalber verlinkt Fr.de nicht auf die Studie und nennt auch nicht den Titel, so dass man sie nicht finden und nachsehen kann, ob es sich um Junk Science handelt. So wie hier zitiert wirkt es zumindest unglaubwürdig.

Die Anzahl der Flüchtlingsankünfte in Relation zu den Rettungseinsätzen zu setzen ergibt nur dann ein aussagekräftiges Ergebnis, wenn die Anzahl der Rettungseinsätze der einzige Einflussfaktor für Migration ist. Und dem ist natürlich nicht so.

Journalisten, die vor Ort recherchieren, sehen die Situation anders als die mutmaßlichen „Wissenschaftler der Universität Oxford und der UC Berkeley“:

Deutsche Willkommenskultur wirkt in Mali sogar bei denen, die bisher gar nicht weg wollten. TV-Bilder freundlicher Menschen mit Gastgeschenken locken die Migranten. […]

Die Sogwirkung der deutschen Flüchtlingspolitik ist groß in Westafrika. In Transitländern wie Mali oder Niger ist die Zahl derer, die ausreisen wollen, rasant angestiegen. Genaue Zahlen fehlen. In Bamako wird an jeder Straßenecke über Einzelheiten der deutschen Flüchtlingssituation gesprochen. […]

Während vor ein paar Monaten die meisten Migranten aus Westafrika noch die alte Kolonialmacht Frankreich als Ziel angaben, steht nun Deutschland mindestens ebenso hoch im Kurs. Und das hat viel mit den Fernsehbildern freundlicher Deutscher zu tun, die Neuankömmlinge mit Seifenblasen, Geschenken und Applaus willkommen geheißen haben. „Das Bild vergisst man nicht“, sagt Salif.

Auch aus Afghanistan berichten Reporter, dass die Willkommenskultur Eindruck macht:

Der starke Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland in den vergangenen Tagen wird auch damit erklärt, dass in vielen Ländern von Libyen, über Libanon, Syrien bis Afghanistan der Eindruck entstanden ist, Deutschland fordere die Menschen geradezu auf, nach Europa zu kommen. „In den Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlinge, insbesondere in den sozialen Medien, schießen Gerüchte und teilweise auch gezielte Desinformationen ins Kraut“[…]

Weil seit Tagen das Gerücht kursiert, Deutschland schicke ein Schiff nach Tripolis, um Flüchtlinge abzuholen, versammeln sich immer wieder Menschen am Hafen. Martin Huth will nun selbst mit den Menschen diskutieren. Seine Botschaft steht bereits auf der Facebook-Seite der Vertretung: „Es stimmt nicht, dass Deutschland Schiffe schickt, um Flüchtlinge abzuholen.“

Schon Gerüchte über deutsche Schiffe ziehen die Menschen magisch an. Ist es also möglich, dass der Frontex-Vorwurf zutrifft? Dass die Rettungseinsätze dazu führen, dass mehr Menschen in die Boote gepfercht werden?

Unsere ehrenamtlichen Retter verschärfen das Problem auch, indem sie erfolgreiche Fluchten ermöglichen.

„Mein eigener Bruder ist nach Deutschland ausgewandert. Er hat Wirtschaft im 2. Semester studiert. Dann hörte er plötzlich auf, zur Uni zu gehen. Er hat nur noch Zuhause rumgesessen. Ein Verwandter in Deutschland hat ihm von den Vorzügen erzählt. Sie haben über Facebook gesprochen. Er hat erzählt, dass er dort weiterkommen könne, vielleicht Karriere machen. Das hat ihn ganz verrückt gemacht.“

Es liegt auf der Hand: Je weniger Willkommensbilder und geglückte Fluchten desto weniger Eindruck auf die Menschen in den Herkunftsländern und damit desto weniger Flüchtlinge und Tote.

Die Retter auf dem Mittelmeer sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Das sieht man am Beispiel Australien, welches eine sehr restriktive Politik hinsichtlich illegaler Grenzübertritte verfolgt. Diese wurde 2013 noch einmal verschärft:

Trotz der abschreckenden Maßnahmen wagten jedoch weiterhin tausende Menschen die gefährliche Überfahrt von Indonesien nach Australien. Hunderte starben dabei in den teils seeuntüchtigen Booten der Schmuggler. Bis Australiens früherer Regierungschef Kevin Rudd 2013 die Bedingungen noch einmal verschärfte. Er erklärte, dass Australien Flüchtlinge, die per Boot kommen, überhaupt nicht mehr anerkennen werde.

Das Ergebnis kann man hier sehen: Die Anzahl der Bootsflüchtlinge ging schnell stark zurück. Und mit der Anzahl der Flüchtlinge geht auch die Anzahl der Toten zurück. Im Jahr 2012 gab es 420 Tote, 2014 keine.

Nicht einen.

Das Engagement der Gutmenschen sorgt also mit dafür, dass es so viele Flüchtlinge und Tote gibt.

Es funktioniert wie ein Kreislauf. Erst locken sie die Menschen mit ihrer Präsenz an, wenn dann die Spenden nicht reichen, fahren sie einen Monat nicht aufs Meer und es sterben mehr Flüchtlinge. Die Schlagzeilen mit den dann vielen Toten sorgen wieder für Spenden und sie können wieder auf das Meer fahren.

Das Blut der Toten klebt an den Händen der „Retter“. Da sie aber persönlich – in ihrer kleinen Welt – nur Gutes tun, merken sie das nicht. Sie sehen oder verstehen die größeren Zusammenhänge nicht. Das meine ich übrigens mit Naivität, die ich den Gutmenschen zuschreibe.

Im ursprünglichen Artikel bei Fr.de kommt noch eine andere Seenothelferin zu Wort:

„Man kann nicht gleichgültig sein. Man muss helfen. Es ist ein Erlebnis, das dein Leben verändert. Auf einmal schätzt du die normalen Dinge des Lebens wert.“
Regina Catrambone, MOAS

Aber Regina, so vielen anderen Dingen gegenüber bist du ebenfalls gleichgültig. Was ist mit den Obdachlosen in deiner Stadt, die im Winter erfrieren? Was könntet ihr mit dem Geld, was ihr für euren Einsatz im Mittelmeer benötigt für diese Menschen tun? Wie kannst du denen gegenüber gleichgültig sein?

Was ist mit den Menschen in Afrika, die es nicht auf das Mittelmeer schaffen? Die, die so arm oder gebrechlich sind, dass sie sich nicht auf die Reise machen können? Was könnte man an deren Situation mit 40.000 Euro pro Monat ändern? Wie kannst du denen gegenüber gleichgültig sein?

Regina entlarvt mit ihrer Aussage auch, dass es Gutmenschen in erster Linie um sich selbst geht, um ihre persönlichen Grenzerfahrungen und ihr moralisches Überlegenheitsgefühl.

7 Kommentare zu „Gutmenschen töten Flüchtlinge“

  1. Man kann die Schiffsbewegungen übers Internet verfolgen.
    12 NGO’s haben Schiffe am laufen, die im Pendelverkehr erst Libyen , dann Italien anfahren. Das ist keine Seenotrettung, das ist gezieltes Schleusen und gezielte Destabilisierung einer einstmals homogenen Gesellschaft.
    Homogene Gesellschaften waren immer die sichersten , prosperierendsten und stabilsten, so muss man sich fragen, wieso die Destabilisierung homogener Bevölkerungen in EU und UNO gefordert und gefördert werden. und wer davon profitiert.
    Wenn die Gutmenschen einst realisieren, was sie da angerichtet und mitgetragen haben, werden sie wohl kurz vor der Auflösung der eigenen physischen Existenz stehen.

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