Wenn politische Korrektheit auf Realität trifft

Constantin Schreiber hat deutsche Moscheen besucht und ein Buch darüber geschrieben.

Antidemokratisch und konservativ: Mehrere Monate lang hat unser Autor Freitagspredigten in deutschen Moscheen besucht. Sein Fazit ist ernüchternd.

Antidemokratisch. Ich muss sagen, dass ich zeit.de nicht zugetraut habe, dieses Fazit als Teaser in einem Artikel zu deutschen Moscheen zu schreiben.

Zunächst muss klar gestellt werden, dass der Autor auf der richtigen Seite steht und politisch korrekt handelt: Der Auszug aus dem Buch über deutsche Moscheen beginnt mit Politik – AfD und FPÖ dürfen natürlich nicht fehlen – und hebt hervor, dass der Autor eine arabischsprachige Sendung für Flüchtlinge „erfand“.

Der Artikel beschreibt den Besuch in der ältesten deutschen Moschee. Constantin Schreiber meldet sich und sein Kamerateam beim Imam an.

Der Imam spricht Englisch […] Als der Imam mich und mein Kamerateam sieht, sagt er: „Ich heiße die Vertreter der Presse willkommen, und, liebe Brüder, bitte sprecht mit ihnen nach dem Gebet. Wir unterstützen Offenheit und Meinungsfreiheit.“ Der Imam setzt ein überzeugendes und gewinnendes Lächeln auf. Er lächelt viel und spricht in seiner Predigt von der Barmherzigkeit und Güte Gottes.

Die Gemeindemitglieder wissen, dass ein Kamerateam da ist und werden aufgefordert mit dem Team zu sprechen. Sicherheitshalber legt er seinen „Brüdern“ noch ein paar nette Worte in den Mund. Die Predigt ist auf englisch. Das wird später noch wichtig.

Ich greife zu einem Buch mit dem Titel Verheißung Islam und fange an zu blättern. Ich erschrecke von Seite zu Seite mehr. In dem Kapitel „Glaube und Politik“ heißt es einleitend „Gott allein ist der Gesetzgeber“. Und weiter: „Die Gemeinschaft gründet nicht auf eine Erklärung der Menschenrechte.“ Der Koran schließe das parlamentarische demokratische System aus, jede Repräsentation sei Betrug, die Nation eine „westliche Krankheit“.

Weiter fragt der Autor: „Wäre es denn nicht Zeit, den Islam zu treffen?“ Dann könne man „die wahren Probleme angehen: Glaube und Politik, Königreich Gottes und Verwandlung der Welt“. Nicht nur Nation, Gesellschaft und Gemeinschaft müssten neu gedacht werden, sondern auch die Revolution. „Die islamische Revolution ist in ihrem tiefen Streben radikal anders als die westlichen Revolutionen“, da sie einen „Wechsel des Ziels der Gesellschaft selbst“ beinhalte. „Wir wollen einen großen Traum träumen: den Traum, dass die großen westlichen Nationen … Zentren zur massiven Verbreitung dessen errichten, was der Islam uns heute bringen kann.“

Ups. Trotz Anmeldung hat wohl die Zeit nicht gereicht alles wegzuräumen was so herumlag?

Und der Autor erschreckt?! Er gibt an, „viele Jahre als Reporter im Libanon und den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet und fast alle Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas bereist“ zu haben.

Ja, hat er denn dort, vor Ort, so etwas noch nie gesehen? Oder hat er es gesehen und hat es als Teil der örtlichen Kultur abgetan? Oder gibt es solche Meinungen im Nahen Osten nicht? Oder hat er eigentlich keine Ahnung vom Nahen Osten?

Der Imam erkennt, während er seine Predigt fortsetzt, das Buch, sieht, dass ich darin blättere, und schaut immer wieder, zunehmend nervös, zu mir herüber. Nach dem Gebet eilt er zu mir, lächelt und reicht mir seine rechte Hand, während er mit der linken nach dem Buch greift und zunächst sachte versucht, es mir wegzunehmen. Ich halte dagegen. Der Kameramann kommt dazu und richtet die Kamera auf ihn. Der Imam zieht nun deutlich stärker an dem Buch. Dann lässt er das Buch los, lächelt und sagt: „Ich dachte, das ist Ihr Buch. Das haben Sie mitgebracht.“ Ich verneine. Daraufhin entgegnet der Imam: „Dann hat das irgendjemand hierhin gelegt.“

Der Imam kennt das Buch und weiß offensichtlich, was darin steht.

Kurz darauf kommt ein Moscheebesucher auf mich zu. Die Kamera ist nicht dabei. Seinen Namen nennt er nicht. Er fragt mich in gebrochenem Deutsch: „Bist du Christ?“ Ich bejahe. „Ich verstehe nicht, warum sich Christen Mordwerkzeuge um den Hals hängen. Das Kreuz ist ein Mordwerkzeug. Warum tut ihr das?“ Ich sage nichts, er redet weiter. „Meine Familie sagt zu mir:’Du bist radikal, du bist Islamist!‘ Ich sage ihnen, ‚ich komme in den Himmel!'“ Keiner der umstehenden Moscheebesucher sagt ein Wort. Ich weiß nicht, ob sie verstehen, was der Mann auf Deutsch sagt.

Wohlgemerkt, es handelt sich um eine relativ offene Moschee, es ist ein angemeldeter Besuch, die Pressevertreter wurden den Gläubigen angekündigt und ihnen wurden freundliche Worte in den Mund gelegt.

Es liegt radikale Literatur herum. Ein radikaler Muslim erzählt Radikales. Und keiner widerspricht. Der Autor springt ihnen bei: Vielleicht verstehen sie kein deutsch.

Ich frage mich hingegen: Kennen die Umstehenden den Mann den nicht? Sehen sie ihn heute zum ersten mal? Haben sie nie ein Wort mit ihm gesprochen? Haben sie nicht bemerkt, was er für Ansichten hat? Auch wenn sie alle kein deutsch verstehen (was unwahrscheinlich ist), ist ihnen nicht trotzdem klar, was er sagen wird? Warum lassen sie es geschehen?

Und lenkt der Autor nicht sogar vom wesentlichen Punkt ab, indem er sich daran aufhängt, dass sich keiner an dem Gespräch beteiligt?

Denn der wesentliche Punkt ist: Wie wahrscheinlich ist es überhaupt, dass die anderen Gläubigen in dieser Moschee andere Ansichten vertreten? Schließlich werden radikale Islamisten in dieser Moschee geduldet und formulieren unwidersprochen ihre Thesen. 

Diese entscheidende Erkenntnis scheint der Autor nicht wahrzunehmen.

Etwas irritiert kehren wir in die Redaktion zurück. Ich hatte damit gerechnet, ein paar freundliche interreligiöse Bekundungen einfangen zu können.

Der Autor kommt aus der Traumwelt und erwartet „freundliche interreligiöse Bekundungen einfangen zu können“, doch dann schlägt die Realität zu. Solche, der eigenen Einstellung widersprechenden Wahrnehmungen können zu kognitiver Dissonanz führen. Daher irritiert ihn das „etwas“.

Dieses Zitat zeigt auch das eigentliche Problem: Die Einstellung des Autors ist so einseitig, dass er die Probleme, die der Islam mit der Demokratie hat, in all den Jahren im Nahen Osten nicht wahrgenommen hat. Es scheint sich um einen Bestätigungsfehler zu handeln: „Ein Bestätigungsfehler […] ist in der Kognitionspsychologie die Neigung, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen.“

Mit einer vor sich her getragenen Einstellung wie „Ich hatte damit gerechnet, ein paar freundliche interreligiöse Bekundungen einfangen zu können“ kann man nicht neutral berichten, weil man nicht neutral wahrnehmen kann. Das gilt natürlich auch für extreme Einstellungen auf der anderen politischen Seite.

Es musste ein starker äußerer Eindruck her, um überhaupt durch den Wahrnehmungsfilter zu dringen. Das ist der Moschee und ihren Besuchern gelungen.

Mein TV-Bericht über das Hetzbuch löste zahlreiche Zuschauerreaktionen aus. Viele waren, wie zu erwarten, sehr islamkritisch und forderten eine strengere Überwachung von deutschen Moscheen. „Wir können und dürfen nicht mehr hinnehmen, dass mitten unter uns Hass verbreitet wird in einem sogenannten Haus Gottes. Das ist unerträglich!!!“, schreibt Stefan K. dazu auf Facebook. „Das bestätigt leider meine Ängste und Erwartungen“, merkt dort Maria R. an.

Das darf natürlich nicht fehlen. Das eigentliche Problem sind nicht radikale Islamisten, die „in den Himmel“ kommen wollen und Moscheen mit solchen Gläubigen. Nein, es gab „sehr islamkritische“ Reaktionen, die fordern, dass in Gotteshäusern kein Hass verbreitet wird und bedauern, dass „leider“ Ängste und Erwartungen bestätigt wurden.

Nachdem ein so bedeutendes Problem aufgedeckt wurde, muss hier unbedingt noch ein Absatz über Muslime als Opfer eingefügt werden. Und als Kronzeugen für „sehr islamkritisch“ kommen nur zwei sachliche Einlassungen in Frage. Erbärmlich.

Es ist dieses Vorgehen, welches Gilles Kepel in seinem Buch als

Verschleierung des Dschihadismus in Europa unter dem Vorwand, Islamophobie sei das bedeutendere soziale Phänomen

beschreibt. Der gesellschaftsgefährdende, zu Gewalt und Terrorismus führende Dschihadismus wird heruntergespielt und stattdessen Kritik daran als Hauptproblem dargestellt.

Ich frage mich: Wenn mir so etwas widerfährt, während wir angemeldet mit einer TV-Kamera, klar erkennbar als Journalisten, in einer Moschee sind, worüber wird dann erst geredet, wenn wir nicht dabei sind? Was für Schriften liegen dann aus? Ich beschließe, dem auf den Grund zu gehen.

Kurz blitzt das ganze Ausmaß des Problems durch den politisch korrekten Wahrnehmungsfilter: War das vielleicht nur die Spitze des Eisbergs?

Immerhin scheint es ihn zu Recherchen für ein Buch animiert zu haben. Der Teaser nimmt den Inhalt vorweg. Der politisch korrekte Autor hat in Deutschland ernüchtert festgestellt, was ihm im nahen Osten verborgen geblieben ist: Religiöse Moslems sind im Allgemeinen „antidemokratisch und konservativ“.

Der Auszug aus dem Buch zeigt bereits, dass von dieser Feststellung mit allerlei Nebelkerzen abgelenkt wird. Daher habe ich kein Interesse mir dieses Buch zu kaufen. Ich habe schon verstanden, dass Islamophobie das größte gesellschaftliche Hauptproblem unserer Zeit ist.

5 Kommentare zu „Wenn politische Korrektheit auf Realität trifft“

  1. Achja, man trägt als Christ ein Mordwerkzeug um den Hals. Dieses Argument kann man dem Moslem gerne zurückgeben. Der islamische Halbmond stammt eben nicht vom echten Mond ab, sondern es handelte sich dabei um einen Säbel Mohammeds, dessen Griff abbrach und der einfach an eine Fahnenstange gebunden in die Schlacht geführt wurde. Noch heute soll der irgendwo aufbewahrt werden. Dhū l-faqār oder so ähnlich heißt das Ding.

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